Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
Roms. Ein
nicht gerade knickeriger Papst namens Klemens ließ zur Freude der Römer vor
vielen Jahrhunderten an diesem Platz ein Wasser-Werk errichten. Es war die Fontana
di Trevi, dieselbe, in die man rückwärts mit der rechten Hand über die linke
Schulter eine Münze hineinwerfen muß, wenn man Rom wiedersehen will. Dieses
barocke Kleinod als Brunnen zu titulieren, ist jedoch etwa so treffend, als
bezeichnet man Elvis als Schlagersänger.
Nur ein paar Liebespaare saßen noch um diese späte
Stunde am Rande des Beckens und turtelten miteinander.
Meine Augen weideten sich an dem Kunstwerk, das
sich direkt an den Palast der Herzöge von Poli anlehnte. In der Mitte unter
einem dreiachsigen Triumphbogen thronte der Gott Neptun auf einem von zwei
Meerespferden gezogenen Wagen, umgeben von Muscheln, aufbrausenden Wellen und
fischleibigen Meeresgöttern.
Das Wasser strömte über künstliche Felsen und
umspielte die Figuren, bis es schließlich von dem halbrunden Becken aufgefangen
wurde, um aufs Neue den Kreislauf zu beginnen. Die bezaubernde Illumination der
Anlage und das leise Plätschern des Wassers verliehen der Atmosphäre etwas
derart Entrücktes, daß ich versucht war, mich hinzulegen und an Ort und Stelle
einzuschlafen.
»Wir sind da«, sagte Antonio. »Noch nicht
einschlafen!«
»Wieso?« antwortete ich. »Müssen wir vor dem
Zubettgehen noch ein Bad nehmen?«
Er deutete auf eines der umliegenden Gebäude und
zog los. Zwischen den Häusern, die den Platz umschlossen, stach eins durch
besondere Pracht hervor. Der in Sandgelb strahlende Palazzo schien frisch
renoviert, oder man hatte niemals geduldet, daß er je verkam. Die in strenger
Ordnung gruppierten Fenster mit den Jalousieläden besaßen die Größe von Türen.
Ausladende Balkone beherbergten das Angebot mehrerer Blumenläden; aus riesigen
Terrakottatöpfen stürzten sich Kaskaden lianenartiger Pflanzen in die Tiefe, so
daß die Hälfte der Fassade von einem grünen Vorhang bedeckt wurde, und oben gab
es eine Dachterrasse von der Fläche eines kleinen Sportplatzes. Und kein
Geschäft für Edelklamotten verunstaltete die untere Etage, wie es sonst hier
üblich zu sein schien. Mein Erstaunen wollte kein Ende finden, als mir an der
portalgroßen Haustüre auffiel, daß daran nur ein Namensschild und eine einzige
Klingel prunkten. Beide freilich aus poliertem Messing.
Antonio winkte mich mit einem Kopfnicken herbei und
wies auf eine kleine Klappe unten an der Tür, durch die man normalerweise die
Post durchschob. Also spielten wir Post und quetschten uns nacheinander durch
den Schlitz hindurch. Drinnen die reinste Belle Époque! Das Entrée aus feinstem
Marmor und Wandleuchter in Form von hellrosa Blumenblättern. Dann gelangten wir
in einen salonartigen Raum, der vor Perserteppichen, ausgesuchten Antiquitäten
und Sofas mit Laubwerkschnörkeln nur so strotzte. Aus ungefähr drei Kilometer
Höhe schwebte ein Kronleuchter vom Durchmesser eines Traktorreifens mit
mindestens dreißig Lampen herab. Durch riesige Atelierfenster war ein im
Dunkeln liegender Garten zu erkennen. Von einer zerkratzten Schalplatte hallte
Verdis La Traviata durch das ganze Gebäude wie Geistergesang.
Eine im Quadrat verlaufende Holztreppe führte in
die oberen Stockwerke. Doch die Krönung war ein von einem kunstvoll
geschmiedeten Käfig umfaßter Fahrstuhl im hinteren Winkel des Raumes. Es
handelte sich um einen jener offenen Aufzüge, die Anfang des letzten
Jahrhunderts in Bürgerhäuser eingebaut wurden und die nur für wenige Personen
Platz boten. Er hatte ein Ziehharmonikagitter als Tür und eine erlesene
Bedienungskonsole, die eher an eine Schmuckschatulle als an eine Apparatur zum
Knöpfedrücken erinnerte.
»Wann beliebt der Butler uns bei Graf Rotz eine
Audienz zu verschaffen, Antonio«, sagte ich, immer noch staunend. Wir standen
im milden Licht von Jugendstilleuchtern und ließen uns von den strengen Augen
der porträtierten Herrschaften auf den Gemälden an den Wänden begutachten. Die
Damen und Herren stammten aus unterschiedlichen Epochen, und die Palette der Kleider,
in denen sie abgebildet waren, reichte vom samtenen Wams bis zum goldbesetzten
Schoßrock. Gewiß waren sie die Ahnen des Hauseigentümers. Ich riskierte einen
Blick durch den mit Pflanzenornamenten verzierten Käfig in den
Fahrstuhlschacht. Er zog sich nach oben über drei Stockwerke hinweg. Nach unten
ging es wohl geradewegs in den Keller. So genau konnte ich es nicht erkennen,
da dieser Teil in
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