Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
völliger Dunkelheit lag.
»Fürst Savoyen, nicht Graf Rotz«, sagte Antonio. Er
setze sich auf den Teppich und begann sich zu putzen.
Zunächst leckte er hingebungsvoll an seinem dünnen
Schwanz, der einer flinken Peitsche ähnelte. »Sein Geschlecht reicht bis zum
dreizehnten Jahrhundert zurück.
Das Haus Savoyen spielte in der wechselvollen
Geschichte der Errichtung des italienischen Staates eine wesentliche Rolle. Der
Fürst ist der letzte Abkömmling seiner Linie und ist heute das, was man einen
verarmten Adligen nennt. Soweit man das hier und ein Dutzend weiterer
vergleichbarer Bauten in der Innenstadt unter Armut verbuchen kann.«
»Aber es ist schon ein herber Abstieg, wenn man die
komplette Toskana an dieses demokratische Gesocks verliert! Gibt es vielleicht
auch eine Signora Savoyen?«
»Nicht direkt …«
Antonio ließ mit einem Mal von seinem Schwanz ab
und riß den Kopf hoch.
»Ah, da kommt ja unsere Gastgeberin!«
Oben auf der Treppe erschien ein Gespenst von
betörender Schönheit. Sie war eine Blue-Point-Birma. Mit ihrem cremeweißen
Körper und den dunklen Abzeichen an Kopf, Ohren, Schwanz und Beinen, ihrem
seidigen und der Angora ähnlichen Fell, ihrem buschigen Schwanz und ihren
saphirblauen Augen schien sie gerade einem wunderbaren Traum entsprungen. Die
schneeweißen Pfoten hoben sich wie mit dem Lineal gezeichnet von den
rauchgrauen Beinen ab.
»Samantha, tu regina della notte !« rief
Antonio mit einem hellen Jauchzen in der Stimme.
»Antonio, tu bel uomo !« antwortete das
hübsche Gespenst und trippelte mit federnden Schritten die Treppe hinab. Auf
dem scharlachroten Teppich, der mit Messinghaken an den Seiten der Stufen
straff in Form gehalten wurde, wirkte sie wie ein Schuß Sahne in Tomatenmark.
»Du Treuloser, wo hast du bloß so lange gesteckt?
Ich dachte schon, einer dieser Modezaren hätte dich längst einkassiert,
ausgestopft und als Schmuck auf einem avantgardistischen Hut drapiert. Und wer
ist dieser Herr mit den weisen Augen an deiner Seite?«
Nachdem Samantha unten angelangt war, begrüßten
sich die beiden in Anlehnung an die Etikette der menschlichen
Bussi-Gesellschaft affektiert, indem sie ihre Wangen aneinanderrieben.
»Das ist mein neuer Freund Francis«, sagte Antonio.
»Eine gewisse Seelenverwandtschaft läßt darauf
schließen, daß wir in einem früheren Leben schon furchtbar gut miteinander
ausgekommen sein müssen.«
Er wandte sich mir mit einem süßlichen Lächeln zu.
»Und das ist die legendäre Samantha, Francis, die Signora des Hauses. Sie ist die einzige, mit der der Fürst zusammenlebt.«
Ich glaubte in Samanthas leuchtend blauen Augen den
Anflug eines Lächelns zu erkennen, als Antonio mich als seinem »neuen Freund«
vorstellte. Hätte mich der liebe Gott mit der Fähigkeit zum Erröten
ausgestattet, wäre ich in diesem Moment wohl röter geworden als ein Vulkan bei
höchster Betriebstemperatur. Ich geriet so in Verlegenheit, daß ich mich am
liebsten in Luft aufgelöst hätte.
»Nett, dich kennenzulernen, Samantha«, sagte ich.
»Es stimmt schon, ich und Antonio, wir sind wirklich gute Freunde geworden in
den letzten Stunden. Mit Freunde meine ich, nun ja, Freundschaft im
ursprünglichen Sinne, das heißt, Freunde, die miteinander Gedanken austauschen
oder etwas zusammen unternehmen, etwas ganz Natürliches unternehmen,
Natürliches im Sinne von, sagen wir mal, essen vielleicht oder zusammen
schlafen, oh, äh, ah, also zusammen schlafen im Sinne von, wie soll ich sagen,
wirklich schlafen, einfach sich hinlegen, meine ich …«
Sie brach in schallendes Gelächter aus.
»Dein Freund scheint sich ja wirklich um das
korrekte Erscheinungsbild seiner sexuellen Orientierung zu sorgen, Antonio.«
»Ja, das ist so eine Macke von ihm. Er meint, er
sei altmodisch. Dabei dachte ich immer, wir Römer wären altmodisch bei all dem
ollen Bombast um uns herum. Aber keine Sorge, eigentlich ist er Detektiv …«
Antonio begann von dem traurigen Umstand unserer
Begegnung zu erzählen und legte meine Vermutungen und Theorien bezüglich der
Morde bis ins Detail dar.
Samantha war von meiner Beobachtungsgabe sehr
angetan. Fast noch mehr aber beeindruckte sie meine Odyssee, die mich in ihrer
wundervollen Metropole hatte stranden lassen. Obwohl sie das verwöhnte
Luxusgeschöpf eines alten einsamen Mannes zu sein schien, war sie weder
weltfremd noch ging ihr das Mitgefühl für ihre Brüder und Schwestern außerhalb
ihrer Edelbehausung ab. Sie hatte von den
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