Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
zurückliegende
sportliche Einlage förmlich dampften, kehrte eine geradezu ehrfürchtige Stille
ein. Der letzte Ton des Chorgesangs war verklungen, niemand gab einen Laut von
sich, und nichts rührte sich.
»Das Leben ist schön – die Menschen sind häßlich«,
sagte der Kapuzenmann leise. »Das ist auch heute der traurige Schluß. Die Welt
ist voller Dämonen, die uns und die von uns zu führenden Unwissenden beim
Aufstieg in ein höheres Sein stören. Althergebrachte Vorstellungen von ihrem
Gott, bornierte Anschauungen über die vermeintlich einzig seligmachende Art der
Lebensführung, vor allem aber rohe Gewalt, das ist die Botschaft, die die
Dämonen verbreiten, und so handeln sie. Aus diesem Grunde werden wir uns nicht
länger im Elfenbeinturm verkriechen, sondern mit Hilfe des Wunders in die
Weltgeschichte eingreifen. Wir werden die Furien der Finsternis zerschmettern, cari
fratelli !«
Ein Raunen ging durch die Menge, während ich
eigentlich wieder aufbrausenden Beifall erwartet hätte.
Der Fall war klar: Obwohl die Theosophen –
esoterisch verbrämt – eine Menge Dreck am Stecken hatten, hatten sie bisher
ihren heimeligen Simsalabim-Bunker nicht verlassen, um sich in die Niederungen
der Weltpolitik zu begeben. Lieber wollten sie ihre Mantras singen, ein bißchen
inkarnieren, die Engel heraufbeschwören und ansonsten Gott einen guten Mann
sein lassen. Das Böse, sofern es in ihrer Lehre überhaupt auftauchte, besaß für
sie eine abstrakte Gestalt, kam aus einem nicht näher definierten finsteren
Reich, vielleicht irgendwie gasförmig und mit den Konturen eines
Fantasy-Drachen.
Letztendlich wollten sie es gar nicht so genau
wissen.
Dieser charismatische Meister jedoch verlangte
ihnen etwas Konkretes ab, die Einmischung in ein schmutziges Geschäft, die
Realität. So ganz allmählich dämmerte es ihnen wohl, daß das, was der Meister
ihnen als Wunder verkaufte und für das sie bis jetzt so großzügig zu spenden
bereit gewesen waren, sich als etwas sehr Irdisches, vielleicht sogar als
echtes Dynamit entpuppen würde.
Ich für meinen Teil hatte nicht weniger mit
geistigen Bauchschmerzen zu kämpfen. Fragen über Fragen schwirrten mir durch
den Kopf. Unter was für Verrückten war ich bloß gelandet? Was hatte dieser
größenwahnsinnige Meister vor, der nichts Geringeres als die komplette
Menschheit von ihrem Übel erlösen wollte?
Wer war überhaupt »das Böse«, »der Menschenfeind«?
Und die wichtigste Frage: Woraus bestand dieses
Wunder? Und beinahe hätte ich die kleine unbedeutende Frage vergessen: In
welcher Beziehung stand dieser Wahnwitz zu den Morden? Es wollte mir beim
besten Willen nicht einleuchten. Denn das einzige Wunder, das Giovanni und
seine Freunde fertigzubringen imstande waren, bestand wohl daraus, die
unterschiedlichen Grünstichtöne von Spaghetti Bolognese zu klassifizieren.
Doch ich hatte keine Zeit zum Grübeln, da der
Meister nun zu einer Zeremonie schritt, welche mich von meinen Fragen ablenkte.
Dieser Programmpunkt sah verdammt nach der Sache aus, vor der Samantha und ich
uns die ganze Zeit gefürchtet hatten. Das Grauen kroch mir durch die Adern wie
Gift und übte einen lähmenden Einfluß auf alle meine Organe aus. Denn nachdem
der große Retter seinen Anhängern die bittere Medizin zur Heilung der Welt
verabreicht hatte, wollte er etwas Gutes für die Seele tun und legte eine alte
Platte auf. Das war die Ouvertüre zum buchstäblichen Säbelrasseln.
»Liebe Freunde, wir wollen uns nun dem eigentlichen
Zweck unseres Beisammenseins zuwenden«, sagte er und hob den funkelnden Säbel
empor. Die daraus hervorschießende Reflexion des tausendfachen Kerzenlichts
blendete kurz meine Augen. Die Bemitleidenswerten im Käfig, die bis jetzt still
gehalten hatten, wurden wieder unruhig und begannen kläglich zu miauen, weil es
wohl auch für sie keinen Zweifel mehr daran gab, was auf sie zukommen sollte.
»Diese Wesen hier sind kostbare Gefäße, in denen
uns nahestehende Seelen wohnen. Damit sie mit uns in Kontakt treten können,
bedürfen sie des Rituals. Öffnen wir also unsere Herzen und nehmen sie
darin auf, in der Hoffnung, daß auch sie sich uns öffnen mögen. Die Befreiung
der Seelen möge beginnen!«
Das gefiel den Flattermännern gar vorzüglich,
konnten sie sich doch voll und ganz der kuscheligen Geisterbeschwörung
hingeben, anstatt sich von mysteriösen Andeutungen des Meisters die Laune
verderben zu lassen, die eine recht ungemütliche Zukunft versprachen.
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