Felidae 05 - Salve Roma-neu-ok-21.02.12
Sogleich
wurde mit voller Inbrunst eine neue lateinische Weise angestimmt, welche
allerdings um einige Nuancen düsterer klang. Diese dunkle Tonfärbung war für
mich das endgültige Signal, eine clevere Idee zu gebären und aktiv zu werden.
Wenn ich nicht einem Massaker beiwohnen wollte, mußte ich endlich etwas
unternehmen. Auch Samantha meldete sich just mit dem gleichen Ansinnen wieder
zu Wort.
»Francis, Francis, ich flehe dich an, wenn Rom sich
in dein Gedächtnis nicht mit dem Schrecklichsten, was du je gesehen hast,
einprägen soll, so vollbringe ein noch größeres Wunder als diese Mörder es
vorhaben! Beeil dich! Hier herrscht dicke Luft, und ich fürchte, sie wird
gleich in einem Blutschwall explodieren!«
Und als bedurfte dieses Flehen noch einer
bildlichen Unterstreichung, sah ich, wie der Meister seinem Publikum den Rücken
zuwandte, zum Käfig schritt und dramatisch den Säbel schwang. Okay, ich sollte
augenblicklich ein Wunder vollbringen. Das Problem war nur, daß ich im
Gegensatz zum Meister über keinerlei Verbindung zur Äther- und Astralebene verfügte,
um dies bewerkstelligen zu können. Der Horror, der die ganze Zeit still und
leise in der Tiefe meines Bewußtseins gelauert hatte, schwoll jetzt in
Zehnerpotenzen an. Ich begann zu zittern, und in meinem mit Chaos gefüllten
Schädel hallten Bruchstücke von Samanthas Worten wie aus einer Endlosschleife
unablässig nach. »… dicke Luft … Wunder … Blutschwall …« vermeinte ich immer
wieder zu hören und blickte dabei wie kristallisiert tatenlos in die traurigen
Augen meiner Leidensgenossin. Die Hand des Meisters umfaßte die Gitterstäbe des
Käfigs.
In meinem Kopf hallte nur noch ein einziger
Satzfetzen:
»… dicke Luft … dicke Luft … dicke Luft …«
Diese zwei Wörter rotierten in meinem Hirnkasten
wie im Innern eines Kreisels, wobei sie sich mittels eines überdrehten
Zellteilungsvorgangs unendlich vermehrten und überlagerten. Sie waren zu einem
Mantra geworden, zu einem monotonen Gebet, dessen Inhalt im Grunde weit weniger
eine Rolle spielte als das Trost spendende Beten selbst.
So hätte es immer weiter gehen können, ewig leiernd
und starr vor Schreck, bis die Ohren der Gefangenen eins nach dem anderen
»entkernt« worden wären. Doch da rief plötzlich etwas in mir: »Wenn die Luft so
dick ist, dann sperr’ verdammt noch mal die Fenster auf!« Ich runzelte die
Stirn. Aber gleich darauf verstand ich die Botschaft.
Ja, es stimmte, wenn irgendwo dicke Luft herrschte,
sollte man besser die Fenster öffnen. Von da an war es ein kurzer Weg, die
Eingebung in die Tat zu übersetzen.
»Francis, du mußt endlich …«, hörte ich Samantha
hinter mir abermals rufen, und wußte gleichzeitig, daß ihr Maul im nächsten
Moment vor Überraschung offenstand.
Sie hatte sich von dem graueneinflößenden
Schauspiel abund wieder mir zugewandt und mitten im Satz festgestellt, daß ich
nicht mehr neben ihr auf der Balustrade saß. Ich war nämlich schon unterwegs in
Richtung Seilzug-Mechanik.
»Folge mir, Samantha!« rief ich, ohne mich
umzudrehen. »Ich brauche deine Hilfe.«
»Aber was hast du vor?« rief sie atemlos. »Ist es
nicht schon zu spät?«
»Nein. Es ist erst zu spät, wenn du dich irgendwie
unwohl fühlst und das Fieberthermometer dir sagt, daß dein Körper mittlerweile
Zimmertemperatur hat!«
Die Konstruktion an der Mauer sah ungefähr so aus
wie das in die Breite gewalzte Innenleben einer primitiven Standuhr. Es gab
einen richtigen Turm schwerfälliger alter Zahnräder, welche von Ketten mit
Zuggewichten daran getrieben wurden, rostige Kurbeln und Schwingräder.
Stahlseile verliefen von hier durch Ringe an der
Gewölbedecke bis zu den Schotten. Vor allem aber erregten die vier klobigen
Holzhebel an einer Tafel meine Aufmerksamkeit, die für das Öffnen und Schließen
der Lüftungsluken zuständig waren. Der erste war nach oben gelegt, woraus ich
entnahm, daß er das offenstehende Schott bediente. Irgendwie mußte ich die
anderen in die gleiche Stellung bringen.
»Samantha, komm her und hilf mir schnell!« sagte
ich und sah im gleichen Moment, daß sie erwartungsvollen Blickes bereits neben
mir stand.
»Wir müssen diese Hebel nach oben bekommen!«
»Aber wieso?«
»Dicke Luft!« sagte ich nur und sprang auch schon
mit gestreckten Vorderbeinen empor. Meine Pfoten schlugen mit voller Wucht
gegen den Hebelkopf. Der rührte sich jedoch nur um einen kleinen Winkel. Ich
war schon wieder im Fallen begriffen, da
Weitere Kostenlose Bücher