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Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12

Titel: Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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Wettstreit fortschreitender Deformation. Es sah aus, als
würden Wachsfiguren zerlaufen und sich zu etwas völlig neuem transformieren.
Die schmutzigen Nachthemden fielen eins nach dem anderen von ihren Körpern ab,
doch in Anbetracht der jähen Blöße wurden wir anstatt von Schamgefühl von
blankem Entsetzen gepackt.
    Graue Wülste und finster pulsierende Venen wuchsen aus
ihrem welken Fleisch, die zwar nicht weniger hinfällig aussahen, jedoch in
ihrer Mißgestalt etwas Unzerstörbares, ja Altersloses zu besitzen schienen.
Gleichzeitig krümmten sich die Leiber, Arme und Beine verwandelten sich in
schiefe Gliedmaßen, und Hände und Füße wurden zu Klauen mit dolchspitzen,
giftgelben Nägeln. Am beeindruckendsten war aber die Umgestaltung der Köpfe.
Sie schwollen auf das Doppelte ihres ursprünglichen Volumens an. Gleichzeitig
zogen sich die schlohweißen Haare zu den Wurzeln in der Kopfhaut zurück und
verschwanden schließlich völlig, so daß nur noch speckige Glatzen zu sehen
waren. Die Augen blähten sich tennisballgroß auf und färbten sich pechschwarz,
die Ohren formten sich zu spitzen Trichtern. Die Münder waren jetzt Striche,
und als die Strichlippen sich öffneten, entblößten sie eitergelbe Gebisse mit
messerscharfen Stümpfen. Dann kam die Krönung. Zerfledderte Flügel, die
offensichtlich aus einer transparenten, auberginefarbenen Membranhaut
bestanden, brachen krachend aus den Rücken hervor, schlugen einige Male
aneinander und breiteten sich am Ende in ihrer ganzen widerwärtigen Pracht aus.
Ein ekelhafter Gestank entströmte den Kreaturen der Finsternis, und sie gaben Laute
von sich, als würden sie Worte rückwärts sprechen, die sich aber wohl vorwärts
ausgesprochen nicht weniger gruselig anhörten.
    Die Dämonenarmee stand nun vor uns wie ein Realität
gewordener Alptraum. Ich merkte es meinen Brüdern und Schwestern an, daß auch
sie mit diesem Ausgang des Ausbruchs nicht gerechnet hatten. Aus den
Augenwinkeln registrierte ich auf unserer Seite in Schock aufgerissene Augen
und gesträubtes Fell. Viele nahmen die bei unseresgleichen in Streßsituationen
typische Körperhaltung ein, duckten den vorderen Teil mit ausgestreckten Beinen
und streckten den hinteren buckelhaft in die Höhe. Aggressives Jaulen entrang
sich mancher Kehle, als hätten wir es hier mit einem Zweikampf unter
unseresgleichen zu tun. Allein Efendi, der verständige schwarze Bruder in
vorderster Reihe machte einen ziemlich ungerührten Eindruck, als hätte er das
alles kommen sehen.
    Selbstverständlich war einer der vermeintlichen Patienten
von jeglicher Metamorphose verschont geblieben. Er hatte eine so plumpe
Horrorshow nicht nötig, um das Publikum von seinem einzigartigen Status zu
überzeugen. Refizul baute sich in seinem albernen Nachthemd vor seinen
deformierten Gehilfen wie ein über allem erhabener Patron auf und lächelte
hintergründig. Seine hüftlangen Silberhaare flatterten in einem Windzug wie
Algenfäden in heftiger Strömung, und die blauen Augen funkelten gleich
Signallichtern.
    »Es war so einfach!« sagte er salbungsvoll. »Es war so
einfach, sie herumzukriegen. Nein, meine vierbeinigen Freunde, ihr seid damit
nicht gemeint. Es war so einfach, die Menschen von, nun ja, meiner Sicht der
Dinge zu überzeugen ...«
     
    »Gib dich bloß nicht der Illusion hin, daß irgend etwas
verjährt sei, nur weil ich dir siebzehn Jahre Zeit gelassen habe, Francis«,
sagte Refizul mit leiser Stimme und lenkte meinen Blick weg vom Flammenschein
des Kamins. Als ich zu ihm hinüberschaute, saß im Sessel ein kleiner, blonder
Junge von etwa zehn Jahren in einer kobaltblauen Schuluniform. Er trug kurze
Hosen, ein dunkles Käppi auf dem Kopf, und auf der Brustseite seines Sakkos
prunkte das goldgestickte Emblem einer Eliteschule. »Zeit spielt für mich eine
untergeordnete Rolle. Auch mit dem Alter nehme ich es nicht so genau, wie du
siehst. Ich kann warten. Aber irgendwann ist Zahltag.« Es fröstelte mich, diese
herbe Altmännerstimme aus dem Mund eines Kindes zu hören, das sich mir wie die
Inkarnation der Unschuld präsentierte. Zum Glück (oder zu meinem Pech) wußte
ich, daß derlei Scharlatanerie noch zu den schwächsten Kunststücken meines
Gegners zählte. Ich wollte ihm nicht den Gefallen tun, daß er sich in meiner
Aufmerksamkeit suhlte, und wandte den Kopf wieder den Flammen zu.
    »Geht es denn nicht ohne mich, Refi? Wenn ich mir das
großkotzige Knusperhäuschen hier und das Depot mit der lebenden Ware darin

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