Felidae 06 - Schandtat-neu-ok-22.02.12
uns in einem
respektvollen Abstand zu den Verwandelten Rücken an Rücken zusammengerottet und
ließen die Freakshow atemlos über uns ergehen. Der eine oder andere winselte
vor Angst oder knurrte verzweifelt. Manch einen ließ die Blase im Stich. Efendi war an meiner
Seite, verzog jedoch keine Miene. Mir war unbegreiflich, wie wir, nein, wie ich
mich in diesen Gestalten so hatte täuschen können. Es mußte doch vorher
Hinweise auf das Desaster gegeben haben. Fetzen des Gesprächs über die Sumerer,
das ich mit Refizul geführt hatte, flogen mir durch den Sinn. Es war darin um
den sumerischen Kult um das Tier gegangen. Aber auch um eine Erscheinung, die
damals vor sechstausend Jahren zum ersten Mal die Weltbühne betreten hatte.
»Waren diese Sumerer nicht das Völkchen, das auch die
Figur des Teufels erfunden hat?« hatte ich wissen wollen. »Ja, aber das ist
eine andere Geschichte«, hatte der Alte darauf geantwortet. Lügner! Es war
dieselbe Geschichte.
Der Lügner stolzierte derweil wie ein imposanter Gockel
zwischen uns und den Dämonen auf und ab. Der Kerzenschein verwandelte ihn in
einen gebräunten Monsieur, der nur rein zufällig ein Bekloppten-Hemd trug und
Gesellen aus einem Nachtmahr seine Kumpel nannte. Ehe wir es richtig mitbekamen,
hatte er eine Selbstgedrehte zwischen den Fingern. Er pustete einmal darauf,
und schon paffte der Stengel. Nachdem er inhaliert hatte, kamen aus seinem Mund
übernatürlich dichte Schwaden gewabert. Der Rauch begann uns langsam
einzuhüllen.
»Früher, ja, früher hatte ich mit den Menschen kein so
leichtes Spiel«, sagte er. »Sie sperrten sich irgendwie gegen den Lifestyle,
mit dem ich sie lockte. Doch dann, so nach und nach, fanden sie Gefallen daran,
die dunkle Seite ihres Ichs kennenzulernen. Hast du ein Kind, dann laß es vom
Staat versorgen oder am besten gleich verhungern. Liebst du eine Frau, sieh zu,
daß du sie ins Bett kriegst, Sex genügt. Wofür sich in Unkosten stürzen? Liebst
du einen Mann, vergiß nicht, ihn auszunehmen. Familie? Wer braucht schon eine
Familie, wenn Familienleben schon in den TV-Serien nur nach Ärger riecht? Du
genügst dir selbst. Überhaupt Liebe ... Ist Haß nicht viel aufregender? Keine
Liebe der Welt kann dir so ein Gefühl geben wie das einzigartige, erregende
Schaudern, wenn du jemandem mit einem Rasiermesser das Gesicht zerstückelst.
Schau weg, wenn am Arsch der Welt millionenfach terrorisiert, vergewaltigt,
gefoltert und massakriert wird. Was schert es dich? Schließlich hast du genug
Streß mit deiner Urlaubsplanung. Oder sag einfach, die Juden wären an allem
schuld. Das kommt immer super an. Duck dich, wenn es eine lebenswichtige
Entscheidung zu treffen gilt, laviere dich so durch, küsse stets demjenigen den
Hintern, der dir die meisten Vorteile verschafft. Sag, du machst dir Sorgen um
das Ozonloch, solch ein Bekenntnis macht jedenfalls mehr Eindruck, als wenn du
den Leuten dauernd von der Pflege deiner gebrechlichen Mutter erzählst.
Versuche Kinderschänder und Massenmörder zu verstehen, schließlich hatten sie
eine echt beschissene Kindheit. Stell dich taub gegenüber den Bitten deiner
Freunde, wenn sie in Not geraten, Freunde sind nur gut für gute Zeiten. Bete
das Geld an, vertrau mir, eine Rolex an deinem Handgelenk bedeutet den Leuten
weit mehr als tausend Weisheiten aus deinem Mund. Sei hinterhältig, sei
unersättlich, sei mitleidslos. Wahre den Schein und bleibe stets jung und
gesund, denn, Menschenskind, was nach dem Leben kommt, ist bestimmt kein
Zuckerschlecken. Darauf mein großes Indianerehrenwort!«
Der Rauch der selbstgedrehten Zauberzigarette hatte
inzwischen einen Dunstschleier entstehen lassen, durch welchen die brennenden
Kerzen diffus glommen. Ein ganz anderes Licht war da viel intensiver. Die
finsteren Glubschaugen der Dämonen leuchteten plötzlich im irisierenden Rot.
Zahllose glühende Augenpaare beobachteten jede unserer Bewegungen und hielten
uns so in Schach. Allein Refizuls Augen, welche wie die eines Hypnotiseurs
durch den Raum glitten, strahlten durchdringend blau und klar wie immer.
Nichtsdestotrotz begann die Metamorphose jetzt auch bei ihm, allerdings weniger
in ekelerregender denn recht stilvoller Manier. Das Nachthemd fiel von ihm ab.
Für einen »Mann« in seinem Alter wirkte er außergewöhnlich sehnig und muskulös.
Eine Art lackglänzender schwarzer Schleim bemächtigte sich gleich einer zweiten
Haut von den Füßen aufwärts seines Körpers.
»Was soll ich sagen, Freunde,
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