Felidae
erinnern, wie wir in diesem Messecafé saßen und ich dem armen Mann mit euphorischer Wortgewalt mein Katzenprojekt (von dem ich selbst nur eine diffuse Vorstellung besaß) um die Ohren haute. Irgendwann ging mir die Puste aus, doch zumindest hatte ich das Gefühl, alles Wesentliche zur Sprache gebracht zu haben. Der Herr Lektor schwieg eine kleine Ewigkeit, schaute dann betroffen in seine leere Kaffeetasse und tat schließlich den entscheidenden Ausspruch: »Das ist der größte Schwachsinn, den ich je gehört habe!« Heute verschafft es mir ein Riesenvergnügen, zu wissen, da ss er mit diesem einen Satz seinen Verlag um einen Gewinn von einer zweistelligen Millionensumme gebracht hat. Doch damals, in diesem trostlosen Café, ging für mich die Welt unter. Da hatte ich jemanden vor mir sitzen, der an mich glaubte, der sogar bereit war, für die folgenden Monate meinen Lebensunterhalt zu finanzieren, und ich hatte ihm den größten Schwachsinn erzählt, den er je gehört hatte. Er sagte, ich solle mir etwas Besseres einfallen lassen, so einen »Kinderquatsch« wolle niemand lesen. Er schlug sogar vor, ich solle über meine Erfahrungen als erfolgloser Drehbuchautor schreiben, als so eine Art Günter Wallraff in der Deutschen Filmwirtschaft. Doch ich hatte mich von der Filmerei bereits abzunabeln begonnen, und verspürte nicht einmal die Lust, es jenen, die meinen Werken stets mit Ignoranz und Ablehnung begegnet waren, auf diese Weise einen reinzuwürgen. Wir schüttelten uns die Hände, und er ging, um eine Desillusionierung über die junge Deutsche Literatur reicher.
Auf dem Rückweg wurde ich von schwersten Versagungsgefühlen heimgesucht. Wie kannst du nur mit dieser Schnapsidee bei so einem wichtigen Mann antanzen, schimpfte ich mich selber aus. Ja, er hatte vollkommen recht, niemand würde sich für ein Buch interessieren, in dem Katzen sich gegenseitig massakrieren und ein kleines Vieh mit Schnurrhaaren Sherlock nachzueifern versucht. Mein bisschen Talent hatte ich wohl endgültig eingebüßt.
Die Strafe folgte auf dem Fuße. Bald waren meine Freundin und ich so pleite, daß wir uns eines wunderschönen Sommermorgens fragten, wie wir uns bloß das Abendessen leisten sollten. Freunde hatten es sich schon zur Angewohnheit gemacht, Fresspakete mitzubringen, wenn sie uns einen Besuch abstatteten. Doch an diesem Morgen war das Ende der Fahnenstange wirklich erreicht. Obwohl wir über unsere Situation noch lachen konnten und das Frühstück witzigerweise zur »Henkersmahlzeit« erklärten, war klar, da ss ich mir innerhalb eines Tages einen Job suchen musste. Meine Freundin arbeitete damals tagsüber als Verkäuferin in einer Boutique und gleich danach in einer Weinpinte als Bedienung - bis zwei Uhr nachts! Doch das ganze Geld ging fast vollständig für die Fixkosten drauf. Also suchte ich mir einen Job und fand auch einen, womit gleichsam symbolisch der Anfang vom Ende meiner kaum gestarteten Karriere als Autor besiegelt zu sein schien.
Akif und Uschi total pleite
Mir wurde der ehrenvolle Dienst zuteil, in unserem Stadtteil die Morgenzeitung auszutragen, eine Arbeit, die eine böse Umstellung der Lebensgewohnheiten mit sich brachte. Man musste etwa um zweiundzwanzig Uhr ins Bett gehen, damit man um vier Uhr morgens aufstehen und eine halbe Stunde später den Zeitungspacken am Kiosk abholen konnte. Um die eigentliche Geburtsstunde von FELIDAE zu erklären, muss ich einige Worte zu meinem Gebiet verlieren. Es handelt sich hierbei um ein von den Bombardierungen des Zweiten Weltkrieges verschont gebliebenes Altbauviertel, das beinahe zur Gänze unter Denkmalschutz steht. Die Häuser sind dergestalt gruppiert, dass sie gewaltige, lückenlos abgeschlossene Rechtecke mit hinreißenden Gärten hinter ihren Rückfronten bilden. Verständlich, dass diese grünen Oasen ein Paradies für Katzen sind, mehr noch, ein für den Spaziergänger auf der Straße verborgenes Reich, in dem eine ganz bestimmte Spezies ihr Geheimleben lebt und die Gartenmauern quasi als ihre Highways benutzt.
Die Bonner Südstadt und unsere damalige Terrasse exakt wie sie im Buch beschrieben worden ist
Bei meiner beschwerlichen Austragungstour in diesem pittoresken Viertel merkte ich jedoch, dass die Katzen gerade in den Morgenstunden, so zwischen vier und sechs Uhr, es irgendwie schafften, zu den Vorgärten der Häuser und in die idyllischen Straßen zu gelangen. Um
Weitere Kostenlose Bücher