Felidae
wird.
Nun, das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Die Initialzündung zu FELIDAE, dem Wunderbuch, und die Inspirationsphasen der achtmonatigen Arbeit sind diffiziler Natur und mit Unmengen von Zufällen verbunden. Ich will hier die Gelegenheit ergreifen, zu verdeutlichen, auf welch verschlungenen Pfaden sich eine Erfolgsstory in der Realität anbahnen kann und welche große Bedeutung dabei dem Wechselspiel von Glück und Unglück beizumessen ist. Selbstverständlich werde ich auch hierbei nicht die ganze Wahrheit preisgeben, denn schließlich will ich die letzten Geheimnisse ganz allein für mich behalten.
Alles begann mit Rod Stewart. Vor langer, langer Zeit, es muss so um 1987 gewesen sein, hörte ich einen Song von ihm im Radio, »Every Beat of my Heart«. Es handelte sich dabei um eine melancholisch gestimmte Liebesballade, die mir, dem ollen Melancholiker, ausgezeichnet gefiel. Aber dann, o Schreck, sah ich im Fernsehen den Clip dazu und war völlig enttäuscht. Soweit ich mich erinnere, stand der gute alte Rod gelangweilt vor einem Mikrofon und leierte sich diesen tollen Song mit der Ekstase eines Rheumatikers herunter. Da ich ein sehr optisch denkender Mensch bin, ärgerte ich mich maßlos darüber, dass man eine solch schöne Melodie derart phantasielos in Bilder umgesetzt hatte. Warum ich mich in dieses Lied und in den Ärger über den Clip so reingesteigert hatte, kann ich mir heute beim besten Willen nicht mehr erklären. Ich vermute, es war Gottes Wille, wie der weitere Hergang der Geschichte noch zeigen wird.
Am nächsten Tag hörte ich den Song erneut. Und weil die Hauptbeschäftigung eines mittellosen Schriftstellers aus kummervollem Dahinbrüten oder profaner gesagt aus Nichtstun besteht, versuchte ich im Geiste einen eigenen Clip zu kreieren. Achtung, jetzt kommt der Kater ins Spiel!
Cujo (im Hintergrund Lolita)
Cujo, ein getigerter, wunderschöner und sensationell intelligenter Bursche, in dem ich in all den erbärmlichen Jahren immer einen Kampfgefährten gesehen hatte, weil er die Angewohnheit besaß, sich meine Sorgen aufmerksam anzuhören und dabei ein verständnisvolles Gesicht zu machen, erschien plötzlich an der Tür. Eine vage Idee entspann sich in meinem Schädel. Ich sah vor meinem geistigen Auge einen streunenden, heruntergekommenen Kater, der jede Nacht um ein Herrenhaus streift, an dessen pompösem Erkerfenster eine verführerische weiße Katze mit einem Edelsteinhalsband sitzt. Die Dame scheint edler Abstammung zu sein, und unser armer abgewirtschafteter Kater weiß ganz genau, dass er niemals auch nur in ihre Nähe kommen wird. Aber er ist verliebt, unglücklich verliebt, und deshalb singt er: »Every Beat of my Heart«. Mit der Stimme von Rod Stewart versteht sich.
Ich fand die Idee rührend und sehr witzig. So einen Clip hättet ihr drehen müssen, ihr Idioten! schrie ich die Wände meines Zimmers an, und Cujo glotzte mich an, als hätte ich den Verstand verloren, womit er zu jener Zeit nicht ganz danebenlag. Jedenfalls ging mir die Szene ein paar Tage lang nicht mehr aus dem Kopf, bis ich mich fragte, was mich daran so sehr faszinierte. Dann fand ich die Antwort. Ich sah in meiner Phantasie keine Trickfilmfiguren, sondern echte, lebendige Katzen, die bei näherer Betrachtung tatsächlich etwas Kätzisches im Schilde führten. Streunende Katzen trachten auch in Wirklichkeit danach, in feine Häuser einzudringen, zum einen weil sie dort Futter vermuten und zum anderen, nun ja, Gelegenheiten zur Fortpflanzung. Eine Mischung aus urmenschlichen Empfindungen und Impressionen tierischer Lebensstrategien machte also den Reiz dieser Phantasie aus.
Etwa zwei Wochen später - Rod und der Streuner waren beinahe aus meinem Gedächtnis gelöscht - bekam ich einen Brief. Ein Lektor des Ullstein Verlages hatte meinen ersten Roman TRÄNEN SIND IMMER DAS ENDE gelesen und schien darüber ganz aus dem Häuschen zu sein. Er lud mich zur Frankfurter Buchmesse ein, um etwas über meine zukünftigen Pläne zu erfahren. Insbesondere sei er an dem Roman interessiert, an dem ich aktuell arbeite. Wenn ihm das Konzept gefalle, sei sogar ein Vorschuss drin. Als ich diese Zeilen gelesen hatte, zersprang ich beinahe vor Freude. Immerhin war es der erste Brief, den mir jemand aus dem Verlagswesen aus eigenem Antrieb schrieb. Mir schwebte bereits eine glorreiche Zukunft als großer Romancier vor.
Es gab dabei nur ein kleines Problem, kein schwerwiegendes zwar, aber immerhin
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