Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman
du den Kopf gleich zwischen deinen Arschbacken wiederfindest. Vielleicht bist du so fix, einem armen alten Kerl, der kaum noch aufrecht stehen konnte, die Lebensglühbirne auszuknipsen. Aber willst du die Show bei jedem einzelnen von uns abziehen?«
»Nun ja, ich dachte, wir halten uns dabei an die tariflichen Pausenregelungen.«
»Todesstrafe, sage ich!« plärrte Ladyboss und zischte mit den Krallen um Haaresbreite an meiner Nase vorbei. »Erledigen wir den Hundesohn schleunigst, bevor er weiteren Schaden anrichten kann.«
»Sachte, sachte«, beruhigte Ohrring. »Bis eben hatten wir einen lästigen Zeugen, den wir schmerzlos um die Ecke bringen wollten. Jetzt hat sich die Situation jedoch grundlegend geändert. Denn jetzt steht einer vor uns, der einen der Unsrigen über den Jordan geschickt hat. Deshalb müssen wir seinen Tod genüßlich zelebrieren. Schon um Rhodos posthum eine Ehre zu erweisen. Wie heißt du denn, mein Kleiner?«
»Francis«, antwortete ich.
Die drahtige Hexe fror geradezu in ihren fahrigen Bewegungen ein. Der Kartäuser hob ruckartig den Kopf und rastete in dieser Positur ebenfalls ein. Ein aufgeregtes Tuscheln erwuchs aus der Mitte der versammelten Gesellschaft und breitete sich in Windeseile bis in ihre entlegendsten Winkel aus. Nach einer Weile startete Majestät eine Reihe von sogenannten Ersatzhandlungen, da er offenkundig die Konfusion seiner Leidensgenossen teilte. Er leckte sich wie besessen an der Schwanzwurzel, kratzte sich aufgeregt hinter den Ohren und schleckte sich allen Ernstes die Eier. Solcherlei Ersatzhandlungen werden bei uns spontan ausgeführt, wenn es gilt, schwierige Entscheidungen zu treffen oder aber einer ungewohnten Situation mit gebührendem Augenmaß zu begegnen. Auch Menschen vollführen, ohne daß sie sich derer bewußt sind, etliche Ersatzhandlungen, indem sie sich nämlich bei kniffligen Angelegenheiten zum Beispiel am Ohr reiben, wie unter Schmerzen die Stirn massieren, mit der Zunge außerhalb des Mundes schier akrobatische Verrenkungen veranstalten und last not least rauchen und rauchen und rauchen.
»Francis?« fragte der Alte mehr sich selbst. »Doch nicht etwa der Francis?«
»Weder der Seefahrer noch der Filmregisseur. Einfach nur Francis«, sagte ich und zuckte die Achseln. Vielleicht dachten sie an eine bestimmte Fleischsorte.
»Der Francis, der den kompliziertesten Kriminalfall in unseren Reihen gelöst hat? Der Francis, dessen Taten Legende sind? Francis, das Genie?«
»Ja, es gab da eine finstere Zeit in meiner Vergangenheit und einen Herrn der Finsternis, der sich die Existenz des Lichtes nicht mehr vorstellen konnte. Doch gegen euch wirkt er nun auf einmal so diabolisch wie ein Balljunge von Steffi Graf.«
»Warum hast du das nicht gleich gesagt?«
»Ich hasse Starkult - besonders dann, wenn man den Star zum Fressen gern hat.«
»Ich fürchte, du hast einen völlig falschen Eindruck von unserer Gemeinschaft bekommen, Francis. Daran sind wir vermutlich nicht ganz unschuldig. Aber weil die Umstände unserer Begegnung so unglücklich verliefen, mußtest du ja wohl einige Dinge mißverstehen und den Kern unserer Natur verkennen. Wir werden dir eine lange Geschichte erzählen müssen, damit du die ganze Wahrheit über uns erfährst. Darf ich mich vorstellen: Ich bin Safran.«
»Und du heißt Kardamon, nehme ich an«, wandte ich mich an die Kriegerin an meiner Flanke, welcher der Sinn so gar nicht nach Versöhnung stand. lm Gegenteil, mit der Kundgabe meines Namens schien ich ihr eher das Spiel verdorben zu haben. Argwöhnisch und weiterhin jeden Moment zum Zuschlagen bereit, bewegte sie ihren Kopf mit zu Schlitzen verengten Augenlidern hin und her und verwendete so einen Ortungskunstgriff, um über meinen genauen Standort weiterhin hübsch im Bilde zu bleiben. Dadurch nämlich setzte sie den Radareffekt ihrer vibrierenden Schnurrhaare ein, die selbst feinste Veränderungen in der Luftzirkulation registrierten. Das so »abgelesene« Ergebnis versorgte dann ihr räumliches Vorstellungsvermögen mit einem dreidimensionalen Diagramm der Gegenständlichkeit, das quasi ein Sehen ohne Augen ermöglichte.
»Falsch geraten, Sherlock. Man nennt mich einfach Niger. Früher trug ich den Namen Cindy, genauso wie die Tochter des Mannes, die sich etwas Kuscheliges zu Weihnachten wünschte. Am zweiten Weihnachtstag verlor sie das Interesse an mir, und der Mann schmiß mich in einer Plastiktüte in den Fluß. Zum Glück hatte die Tüte einen Riß, und ich
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