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Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
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waren Kinder der immerwährenden Nacht, im Grunde die Überspitzung unserer eigenen Natur, stellvertretend für uns alle lautlos in den dunklen Gefilden unserer Seele wandelnd.
    Gewiß hätte es nicht geschadet, in dieser mißlichen Lage ein paar Gedanken an eine Fluchtmöglichkeit zu verschwenden. Aber wieder fuhren mir mein Grübelhirn und die verfluchenswerte Neugierde dazwischen und zwangen mich zu ein paar Überlegungen. Welcher kuriose Umstand zum Beispiel hatte alle diese Biester in die Unterwelt verschlagen? Und aus welchem Grund waren sie mit Blindheit geschlagen? Oder waren sie schon immer blind gewesen? Weshalb brachten sie ihre Artgenossen um? Weil die Kanalisation arm an Beutetieren war? Aber warum fraßen sie dann den erlegten Kollegen nicht zur Gänze auf? Und die Preisfrage lautete schließlich: Wenn sie sich ständig hier unten aufhielten, ohne jemals das Tageslicht zu sehen, warum litten sie dann nicht an Rachitis? ( 6 )
    Gott sei's gedankt, hatte es jedoch den Anschein, als würde ich von der Krankheit der zwanghaften Wißbegierde bald endgültig kuriert. Denn nachdem der Alte mit den wenigen grobschlächtigen Gesichtsverrenkungen, die ihm zur Verfügung standen, eine Weile in sich gegangen war, schüttelte er sich kräftig (wobei eine Vielzahl Schlammklumpen umherflogen) und gab feierlich seine weise Entscheidung preis.
    »Sie hat recht, Brüder und Schwestern«, sagte er und deutete auf die mich weiterhin anklagend anvisierende Amazone. »Er muß eliminiert werden. Die Zahl der Schwachköpfe, die die Katakomben der Barmherzigkeit aufsuchen, wird von Tag zu Tag größer. Die Sensationslust treibt sie zu uns, wobei sie sich geschickt unsere Schwäche zunutzemachen. Wir sind inzwischen zu Attraktionen in einem verdammten Monstrositätenkabinett verkommen! Es bleibt aber leider nicht beim heimlichen Beobachten. Wenn sie wieder oben sind, geben sie ihre ängstlichen Erkundungen als waghalsige Abenteuer aus und protzen mit ihnen herum. So stacheln sie wiederum andere an, ihrem Beispiel zu folgen. Doch gerade mit diesem verwerflichen Verhalten lenken sie nur die Aufmerksamkeit der Menschen auf uns. Irgendwann werden auch diese hinter unser Geheimnis kommen und dann einen Desinfektionstrupp in die Kanalisation schicken, der, wie sie sich gerne ausdrücken, Nägel mit Köpfen machen wird. Daß wir dem Tod geweiht sind, wissen wir und fürchten uns nicht davor, geliebte Brüder und Schwestern. Aber die Mission, unsere heilige Mission, wer sollte sie dann erfüllen? Wer sollte dann all die verlorenen Seelen, die Seelen, die gestorben und dann wiederauferstanden sind, retten? Wer sollte dann die Kinder retten, Brüder und Schwestern?«
    »Die Kinder retten! Die Kinder retten! Die Kinder retten!« erschallte es aus der Meute wie aus einem Mund. Ich erhob mich aus der Rückenlage, hockte mich auf die Hinterbeine und studierte voll Verwunderung die Folgen, die die gewandte Demagogie des Oberpriesters gezeitigt hatte. Wie Blinde es in Erregung oft tun, wiegten die Schmutzfinke ihre Köpfe in einem gleichförmigen Bewegungsmuster hin und her. Dabei beschworen sie, begleitet von spastischen Zuckungen, unentwegt die Errettung dieser ominösen Kinder, die ihnen offenkundig sehr am Herzen lag. Ich war gerade dabei, Hypothesen über den Sinngehalt des Klagerufes aufzustellen, als ich sie plötzlich tatsächlich sah: die Kinder. Wie Pinguinjunge kauerten sie zwischen den Vorderbeinen alter Vetteln, dicht eingekuschelt in das zottelige Bauchfell und von den herabhängenden Brusthaaren halb verdeckt. Deshalb waren sie mir nicht gleich aufgefallen. Ihrer Iris haftete noch ein bißchen Farbe an, woraus ich schloß, daß sie den hohen Grad der Erblindung noch nicht erreicht hatten. Im Vergleich zu den Erwachsenen strotzten ihre Felle geradezu vor Sauberkeit, ein Hinweis, der auf eine tadellose Pflege deutete. Etwas machte mich allerdings stutzig. Beschützerinnen und Beschützte gehörten stets jeweils einer verschiedenen Rasse an. Eine Bambino-Siam hatte zum Beispiel unter den Fittichen einer fetten Maine-Coon Zuflucht gefunden, und scheinbar war die Betreuung einer jungen Birma von einem Mau-Weibchen mit nur einem einzigen Reißzahn übernommen worden. Selbst wenn man das Vermischungsroulette bei der Paarung berücksichtigte, waren die sichtbaren Unterschiede zwischen Müttern und Kindern derart frappant, daß man hier von Adoptivverhältnissen ausgehen mußte.
    »Wir wissen um unsere leidvolle Vergangenheit, kennen unser

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