Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman

Titel: Felidae 2 - Francis: Ein Felidae-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirinçci
Vom Netzwerk:
schon in dieser ...«

Drittes Kapitel
     
     
    »... wiewohl hin und wieder einmal Gnade für Recht ergehen mag«, sei vollständigkeitshalber der Rest des Spruchs wiedergegeben. Aber von einer Horde Kannibalen Gnade zu erwarten, glich so ungefähr dem Wunsch, daß Wohnungsmakler drei Viertel ihrer Einnahmen für den sozialen Wohnungsbau aufwenden sollten. So wie mich diese blinden Restaurantkritiker - vermutlich von der Zeitschrift »Aas vivendi« - anstarrten, konnte man ja schon von einem Akt des Erbarmens sprechen, wenn sie mir zunächst den Kopf abrissen und sich erst dann an den Filetstücken meines Körpers gütlich taten.
    Hinter Papa Goldener Ohrring kam ein gazellenhaftes Geschöpf zum Vorschein, das es offenkundig gar nicht mehr abwarten konnte, das Schlachtbüfett zu eröffnen. Doch da sauste die Hammerpfote des Alten pfeilschnell empor, schlug mit einem dumpfen Laut gegen die Brust der Voreiligen und brachte sie jählings zum Stehen. Es war eine drahtige Heranwachsende, und ihr stumpfes Fell war noch schwärzer als diese schwarze Hölle es je sein konnte. Ihre einst hochempfindlichen Horcher hatten ihre ursprüngliche Trichterform längst verloren. Sie waren entweder durch die zahllosen Schlachten mit anderen Kriegern oder durch die rabiate Gegenwehr der gejagten Ratten zu zerfledderten Fetzen verkümmert. Ein jahrelang von Motten bewohntes Tuch in der Truhe hätte keinen schlimmeren Eindruck erwecken können. Schräg über das Gesicht erstreckte sich eine häßlich zusammengewachsene Narbe, die ein hübsches Andenken vom spitzen Eisen eines erschrockenen Kanalarbeiters sein mochte. Ihre außerordentlich muskulöse Figur glich der eines hochgezüchteten Windhundes; es schien sich bei ihr zweifellos um eine Orientalin zu handeln. Trotz des Punkerlooks verrieten aber die eisig wie Neon irisierenden Augen und die aus den Hautfalten der Pfoten wie mörderische Sicheln lugenden Krallen, daß ich ein Duell mit der drahtigen Lady nur als Gehacktes verlassen würde. Kurzum, ich hatte es mit einer jungen Hexe zu tun, die sich bisweilen gern ein Blutsüppchen kochte.
    »Na, Kleiner, willst du nicht fliehen?« fragte der Abt der Düsternis gespielt besorgt, und in seinen Augen schienen Dampfschwaden zu brodeln. Sieh an, er war ein Mann des Humors. Da ich ebenfalls kein Kind von Traurigkeit war, erwiderte ich:
    »Kein Gedanke, Gevatter! Man ist doch froh, wenn man an einem solch einsamen Ort vertrauenserweckenden Standesgenossen begegnet.«
    »Du hättest aber eine Chance. Immerhin sind unsere Augen außer Betrieb, und wir geben dir noch ein bißchen Vorsprung, damit es lustiger wird.«
    »I wo, ich wollte euch schon immer kennenlernen. Als ich hörte, daß ihr vor lauter Reinlichkeit gleich im Klosett haust, habe ich sofort mein Bungeejumping-Training abgebrochen und bin hierhergeflitzt.«
    Dem Powerweib platzte ob meiner Frechheiten endgültig der Kragen. Sie legte zornig die Ohren eng an den Kopf, so daß dessen keilförmiges Design perfekt zur Geltung kam, und riß die Augen weit auf. Dann hechtete sie vor die versammelte Mannschaft und zielte mit den Skalpellkrallen beschwörend auf meine Wenigkeit. »Schluß mit den dummen Witzen! Wir müssen ihn kaltmachen, sonst wird er uns verraten, wie alle anderen es auch getan haben.«
    »Wenn's nur das ist, Gnädigste, müßte es doch eigentlich eine Zungenamputation auch tun«, provozierte ich kleiner Schelm selbstmörderisch weiter.
    Plötzlich verlor der Chef seinen Mutterwitz. Das Milchige seiner Augäpfel schien sich wie mit einer dunklen Flüssigkeit zu trüben, und der Spott in seiner Bulldoggenvisage wich schlagartig einer besorgniserregenden Ernsthaftigkeit. Das Monstergesinde wurde daraufhin mucksmäuschenstill und verharrte in Reglosigkeit, als wolle es den Kloakenimperator von seiner Entscheidungsfindung nicht mit solch lästigen Geräuschen wie Magenknurren ablenken. Was soll ich sagen, trotz der brandgefährlichen Situation konnte ich es mir nicht verkneifen, die Typen irgendwie niedlich zu finden. Das Licht aus dem Abflußrohr bedachte ihre zerlumpten Felle mit einer silbrigen Aura, so daß sie wie Fans einer für ihre Bühnenexzesse berühmten Heavy-Metal-Band aussahen. Ihre aus der Finsternis hundertfach hervorstechenden weißen Augen mochten dabei die angesteckten Wunderkerzen beim Vortragen der ersehnten Hymne sein und die zerbissenen Ohren die Beschädigungen symbolisieren, welche man sich beim übermäßigen Konsum solcherlei Dröhnmusik zuzog. Sie

Weitere Kostenlose Bücher