Felidae 3 - Cave Canem: Ein Felidae-Roman
Bewachen einer Glasmurmel zu taugen. Trotz der noch erkennbaren schwarz-braun-gelben Färbung, die die Rasse kennzeichnet, wurde sein verstrubbeltes Fell von einem deprimierenden Grauschleier überzogen. Die großen Horcher, die konzentriert spitz aufgerichtet hätten sein müssen, hingen wie infolge einer Muskellähmung schlaff herunter. Über den glanzlosen Augen wucherten weiße Haarbüschel wie bei einem verwirrten Professor, und das Gebiß mit den zerbrochenen und gelb bis braun eingedunkelten Hauern glich einem geplünderten Steinbruch. Er schien unendlich müde, geschlagen in zahllosen Schlachten, und doch verbarg sich hinter dieser baufälligen Fassade etwas Scharfkantiges, das des letzten Kampfes harrte. Da erst würde sich zeigen, was noch in ihm steckte.
Wie in Zeitlupe richtete sich der Zwischenrufer auf, hockte sich gemächlich auf die Hinterbeine und wischte sich den klebrigen Ausfluß aus den verschlafenen Augen. Seine imposante Statur flößte einem Respekt ein. Er war riesig, beinahe so groß wie ein Bär, und selbst sein heruntergekommener Zustand vermochte diesen Eindruck kaum abzuschwächen.
»Es stimmt, was Francis sagt«, fuhr er fort. »Zwar hat es in diesem Asyl schon immer ein heilloses Gedränge gegeben, aber so massiv wie in den letzten Monaten war es noch nie. Die beginnende Ferienzeit, in der gewissenlose Menschen der Versuchung erliegen, sich ihrer haarigen Seelentröster zu entledigen, macht sich deutlich bemerkbar.«
»Wer ist das?« wollte ich wissen, nachdem ich dem Kommentar des brandneuen Klugscheißers so konsterniert gelauscht hatte, als vernähme ich den Pfändungsbescheid meiner geliebten Freßnäpfe. »Der Tierschutzbeauftragte der Regierung?«
»Das« , eröffnete Sissi mit einer Mischung aus Amüsement und Triumph, »ist dein Partner. Er wird den Fall mit dir gemeinsam lösen. Darf ich vorstellen: Hektor! Einst im Dienste der Polizei, Rauschgiftfahndung, heute auf der Pensionsliste der Behörden. Doch wo anderen in seinem Alter der Kalk aus der Nase rieselt, macht er immer noch durch seinen kriminalistischen Scharfsinn von sich reden. Er ist gewissermaßen unser Pendant zu dir.«
Auf alle Kläffervisagen legte sich ein befriedigtes und zugleich schadenfrohes Lächeln. Ja, selbst über die eisigen Gesichter von Hinz und Kunz flog der Ansatz einer Belustigung, und kurz fuhren ihre Mundwinkel himmelwärts. Der einzige Kläffer, dem augenscheinlich nicht zum Lachen war, war Hektor. Er starrte mich aus seinen trüben Augen nur an, hechelte besorgniserregend laut mit einer herabhängenden Zunge, deren Länge einem Feuerwehrschlauch alle Ehre gemacht hätte, und schien überhaupt die Humorlosigkeit in Person. Auch die Meinigen wirkten reichlich verdattert - vorwiegend Moses, der von der überraschenden Wendung so ergriffen war wie von der Wirkung einer herabsausenden Bratpfanne auf seinen Schädel. Und ich selbst wähnte mich auf einmal in einem drittklassigen Cop-Movie, was sich wohl in meiner verdutzten Miene widerspiegelte.
»Entschuldigung«, sagte ich, nachdem ich mich von dem Schock wieder einigermaßen erholt hatte. »Das Alter ist auch an mir nicht spurlos vorbei geschrammt. Eine Folge davon ist, daß es mit meinem Gehörsinn nicht zum Besten steht. Bisweilen spielte er mir garstige Streiche. So vernahm ich gerade eben, daß euer armer Freund, der seinen Alltag sicherlich nur durch das Geschick eines Ärztekollegiums bewältigen kann, mir bei den Ermittlungen Gesellschaft leisten soll. Man hört doch die verrücktesten Sachen, wenn die Ohren nicht mehr richtig mitspielen.«
»Warum beleidigst du mich?« sagte Hektor mit todtraurigem Gesicht, und in seinem durchbohrenden Blick lag ein Vorwurf, als hätte ich einen Blindenhund-Witz gerissen oder einen Zwergpudel kahlgeschoren. »Was habe ich dir getan?«
Ich tat mein Schandmaul auf, um auf die eigentlich ja berechtigte Frage mit einer noch übleren Unverschämtheit zu antworten. Doch da fuhr Sissi dazwischen.
»Du hast schon richtig gehört, Klugscheißer. Und ihr auch, ihr übrigen Mäusequäler. Oder habt ihr im Ernst gedacht, daß wir einen der Euren als Sherlock akzeptieren würden, ohne ihm einen Holmes von uns zur Seite zu stellen?«
»Na, wenn das euer Holmes ist, dann möchte ich nicht euren Professor Moriarty sehen«, frotzelte ich fröhlich weiter. »Vermutlich steuert der seine Superverbrechen von einem Sarkophag in der Krypta aus.«
Wie alle aus meinem Verein schien Moses sich von seiner Verstörung nur
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