Felidae 4 - Das Duell
Höhe bekommst, Kong, dann gestehe ich öffentlich ein, daß ich mal in einen Collie namens Rosie verliebt war!«
Blaubart und Junior traten aus dem Schutz des Wäldchen s und trabten in geduckter Haltung zum Glashaus. Der Schneefall war inzwischen noch dichter geworden und der Himmel ein einziges finsteres Brett. Das Gebäude in der Ferne bildete sich schemenhaft wie hinter einer Nebelbank ab. Wir sahen die beiden im fahlen Weiß des Parks immer kleiner werden. Schließlich trennten sie sich kurz vor dem Erreichen des Hauses und begannen es von beiden Seiten zu umrunden. Ich hielt den Atem an, als sie hinter dem Bau verschwanden. Jetzt verfluchte ich mich dafür, daß ich mich auf Juniors blöde Diplomatie eingelassen hatte. Ich hätte die Inspektion alleine durchziehen, zumindest mit ihnen gehen müssen. Es war schon ein Fehler gewesen, Junior und Blaubart in die Sache hineinzuziehen, geschweige denn diesen tatterigen Herrengesangsverein. Das sollte mir eine Lehre sein! Künftig würde ich meine Angelegenheiten wieder in die eigene Pfote nehmen.
Meine Anspannung verwandelte sich in erleichtertes Aufatmen, als Blaubart und Junior plötzlich auf der Terrasse des Erdgeschosses wieder auftauchten. Sie besprachen sich augenscheinlich noch kurz, wandten sich dann zu uns und gaben durch ein Winken mit der Vorderpfote das Zeichen zum Aufbruch. Der Troß setzte sich in Bewegung, während aus nicht wenigen Kehlen ein fürchterliches Ächzen und Stöhnen aufstieg. Und so war ich auf meine alten Tage doch noch genau dort gelandet, wo ich selbst unter Androhung der Streckbank nie hin wollte; beim Ausflug eines Seniorenheims!
8.
A ls wir am Glashaus angelangt waren, ging alles sehr schnell. Durch die Panoramascheiben sahen wir, daß das mit asiatischen und antiken Möbeln eingerichtete Erdgeschoß bis auf das fahle Licht zweier blumenkelchförmiger Jugendstilleuchten im Dunkeln lag. Irgendwo im hinteren Bereich glimmte noch die Glut im Kam in und warf einen roten Schein auf die kostbaren Teppiche. Auf diesen lag etwa die Hälfte der spitzohrigen Hausbewohner und erfreute sich an einem Nachmittagsnickerchen, ein paar von ihnen waren derart weggetreten, daß sie, alle viere von sich gestreckt, auf dem Rücken lagen. Der Rest hielt sich vermutlich in den oberen Stockwerken auf, inklusive Adrian. Es war unwahrscheinlich, daß sich Agatha und Dr. Gromyko noch irgendwo im Haus befanden. Meine Theorie, daß Agatha sich wie jede Woche um diese Zeit ihrer Chemotherapie unterzog, schien sich zu bestätigen. Die Luft war also tatsächlich rein. Dennoch sträubte sich mir vor Beklemmung das Fell, als ich nun wieder vor dem Ort des gestrigen Angriffs stand.
Junior machte uns darauf aufmerksam, daß sich im hinteren Teil des Gebäudes eine Klappe für unseresgleichen befinde. Wie eine Karawane von Sternsingern, die die allgemeine Weihnachtsseligkeit ausnutzen und von Haus zu Haus ziehen, um milde Gaben zu erbitten, setzten wir uns in Bewegung. Durch die Klappe gelangten wir in die Edelküche, die in ihrem Chromglanz strahlte. Dabei schoß mir die Frage durch den Kopf, weshalb eigentlich die Küchen von Reichen stets den Eindruck vermitteln, als würde jeden Moment aus irgendeinem Schrank Paul Bocuse wie ein Teufel aus der Schachtel hervorspringen und einem auf einem Silbertablett Austern darreichen.
Im Wohnzimmer schlug uns eine Behaglichkeit entgegen, die fast schon obszön war. Während hinter den Scheiben Myriaden von Schneeflocken auf den Park und das Wäldchen niedergingen, herrschten hier in diesem luxuswattierten Gehäuse wohltemperierte Wärme und Stille. Letztere wurde freilich ein wenig gestört, als unser Trupp mitten hineinplatzte wie ein Rudel von Bahnhofspennern in ein Violinkonzert. Samtene Köpfe hoben sich sachte von feinfaserigen Nepalteppichen, Augenlider öffneten sich unter dem güldenen Licht von Artemide-Leuchten und brachten Irisvariationen von schwindelerregender Farbenvielfalt zum Vorschein, und auf dem buntbemalten Papier japanischer Trennwände zeichneten sich Scherenschnitte von sich reckenden und streckenden Gliedern ab. Es war ein sanftes Erwachen, ohne Angst und Eile, ja das Erwachen von Aristokraten. All die über das Haus verteilten Brüder und Schwestern schienen von unserem überraschenden Besuch mitnichten beunruhigt, was so gar nicht zum nervösen Verhalten von in ständiger Bedrohung lebender gepeinigter Seelen passen wollte. Im Gegenteil, sie wirkten angenehm betäubt von dem
Weitere Kostenlose Bücher