Felidae 4 - Das Duell
täuschen, doch hatte ich das untrügliche Gefühl, daß er unterwegs zu der alten Manufaktur war. Das paßte ins Bild! Denn nach all dem mir inzwischen Bekannten schien Fabulous sein böses Geheimnis zu teilen. Er wollte ihr mit Sicherheit Bericht über das Trauerspiel des einfältigen Francis erstatten. Danach würden sie sich vermutlich über mich scheckig lachen und sich auf den Erfolg ein paar Aluschalen DANDY CAT genehmigen.
Endlich sah ich undeutlich die Konturen des Hügels, auf dessen Gipfel der Backsteinbau in den unheilvollen Himmel ragte. Er war wie vom Nebel umhüllt, und mit seinen golden leuchtenden großen Rundbogenfenstern erinnerte er an das Schloß eines Vampirs. Das Mauerlabyrinth lichtete sich sukzessive, machte immer mehr freistehenden Schrebergärten Platz, die in ihrer Schneestarre wie das Reich einer Eiskönigin aussahen. Adrian nahm den Hügel in Angriff, dessen nur von wenigen Bäumen bewachsenes Felsmassiv dem Kletterer trotzte. Es gelang mir immer wieder, mich hinter den verwachsenen Knochen ähnelnden kahlen Bäumen zu verbergen, wenn der Beschattete stehenblieb, um zu verschnaufen, und zufällig einen Blick zurück riskierte.
Schließlich erreichten wir in gebührendem Abstand zueinander die Manufaktur, und ich überlegte, ob er jetzt das gleiche Loch in der Mauer nehmen würde, durch das ich gestern nacht hinausgeschlüpft war. Es sah ganz danach aus. Adrian steuerte nach einer kleinen Verschnaufpause die aus zwei gebrochenen Ziegelsteinen bestehende Öffnung ein paar Zentimeter über dem Grund an, was verriet, daß er sich im Röhrensystem des Gebäudes bestens auskennen mußte. Da er keine Anstalten machte, sich zu vergewissern, ob ihm jemand folgte, wollte ich mich ebenfalls in Bewegung setzen, als wir beide plötzlich überrascht wurden.
In der Maueröffnung erschien mit einem Mal Fabulous' Wuschelkopf. Sie blickte mißtrauisch nach links und rechts, und ich erwartete nun, daß Adrian ihr ein Zeichen geben oder sich sonst irgendwie bemerkbar machen würde, da ich von einer konspirativen Verabredung ausging. Weit gefehlt! Als Adrian sah, was ich sah, trippelte er schnell rückwärts und versteckte sich ebenfalls hinter einem knöchrigen Baum. Anscheinend legte er keinen Wert darauf, von Fabulous erspäht zu werden. Verständlich, daß auch ich mich flugs verkroch.
Was hatte das denn schon wieder zu bedeuten? Ich war davon ausgegangen, daß die beiden eine Art Geheimbund bildeten. Aber jetzt kamen mir Zweifel. Denn so wie Adrian Fabulous aus seinem Versteck heraus argwöhnisch beäugte und gespannt darauf zu sein schien, was sie als nächstes zu unternehmen gedachte, schien er mich geradezu zu imitieren.
Dem Anschein nach bemerkte Fabulous weder Adrian noch meine Wenigkeit. Sie trat aus der Maueröffnung heraus und machte sich daran, eiligen Schrittes den Hügel hinabzusteigen, und zwar auf der unserem Viertel abgewandten Seite. Sobald sie in der Ferne verschwunden war, wagte sich Adrian hinter dem Baum hervor und setzte ihr nach. Die Manufaktur selbst schien ihn nicht weiter zu interessieren. Er wandte die gleiche Beschattungstechnik des sich flott Duckens und Verbergens an wie ich. Zeitverzögert tat ich es ihm gleich. Nun verfolgte er Fabulous und ich wiederum ihn oder notgedrungenermaßen beide.
Wir mußten schon ein verrücktes Trio abgegeben haben, wie wir nach und nach den Hügel, schließlich das ganze Viertel hinter uns ließen, über öde Baugrundstücke staksten, an verwilderten Grünflächen vorbeikamen, die allesamt vom Frostatem der Eiskönigin kristallisiert waren, und allmählich in ein Terrain vordrangen, das ich nur vom Hörensagen kannte. Es handelte sich um das alte Industriegebiet. Man hatte mir erzählt, daß auf diesem Gelände bis vor dreißig Jahren Metallverarbeitung in kleinem Maßstab, Baustoff- und Papierherstellung, Textilproduktion und ähnliches betrieben worden war. Doch irgendwann verschwanden alle diese Gewerbe in moderne Industrieparks, und zurückblieben die Ruinen eines Zeitalters, in dem das Wort »Arbeit« für Menschen noch schmerzliche Plackerei bedeutet hatte. Es ging das Gerücht um, daß die gesamte Schrottlandschaft in Kürze zugunsten eines Naherholungsgebiets entsorgt werden würde.
Riesenhafte Silos mit traktorreifengroßen Rostlöchern, Förderbänder mit aufgerissenem Gummi, die sich über Hunderte von Metern erstreckten, einsame Fabrikschornsteine und ausgeschlachtete Maschinen kamen uns entgegen, und ich fragte mich, ob
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