Felidae 4 - Das Duell
Adrian und Fabulous ebenso wie ich über diesen Friedhof staunten. Wenn sie es taten, so ließen sie sich jedenfalls nichts anmerken, denn sie bewe g ten sich zwischen den Zahnradbergen und Hellingkränen mit solch ausdrucksloser Miene, daß sie wie auf ein bestimmtes Ziel gelenkte Probanden eines Hypnotiseurs wirkten. Gleichwohl achtete Adrian mit der eleganten Umsicht eines James Bond darauf, daß er hinter irgendwelchen Schutthaufen gleichsam unsichtbar wurde, wenn Fabulous aus einem unbestimmten Gefühl der Unsicherheit heraus hin und wieder stehenblieb und um sich blickte. Aber auch meine Camouflagekünste waren nicht von schlechten Eltern, wenn 007 zwischendurch vom gleichen Gefühl heimgesucht wurde.
Vor uns erschienen die verfallenen Verwaltungsgebäude und Werk h allen. Viele unter ihnen sahen wie ausgebombt aus, oft fehlten Fenster oder ganze Mauern. Traurig starrten sie einen an und präsentierten anklagend ihre aus Falzstraßen und antiquiert anmutenden Webmaschinen bestehenden Innereien.
Fabulous kam vor einem Bau zum Stehen, der wie ein überdimensionaler Heuschuppen aussah und als einziger intakt wirkte. Die Außenhaut bestand aus einer Holzlattenverkleidung, die im Lauf der Dekaden durch die Witterung gebleicht war. Ein riesiges, mit Atelierscheiben versehenes Mansardendach überragte das Gebäude, das, an den Seiten völlig fensterlos, nur ein Lager sein konnte. Den Vordereingang verdeckten zwei Rolltore, die vom Umfang her einem Hangar alle Ehre gemacht hätten. Eins dieser Rolltore stand ein wenig offen, und ehe ich mich versah, war Fabulous auch schon hineingeschlüpft. Adrian wartete noch ein paar Augenblicke, kam dann schnell aus seinem Versteck heraus, lief ihr nach und verschwand ebenfalls im Lager.
Ich dagegen stürzte seit dem gestrigen Rausschmiß aus meiner heimeligen Vorweihnachtswelt zum hundertsten Mal in eine Entscheidungskrise. Ich wußte, was mich da drinnen erwartete, wenn ich den beiden folgen würde: Ärger! Andererseits sollte man mit Geisteskrankheiten von der Sorte, an der ich litt, auch nicht spaßen. Würde mich die unbefriedigte Neugier nicht umbringen, wenn ich diesem blöden Schuppen einfach den Rücken zukehrte und zu Gustav und den lustigen Mäusen auf Rädern heimkehrte? Ich war schon so weit gekommen, hatte meine beiden Widersacher endlich bei ihren schmutzigen Geschäften erwischt. Sollte das alles wirklich umsonst gewesen sein?
Nein, sollte es nicht. Deshalb eilte ich schnell zu dem verdächtigen Gebäude, passierte das Tor und bekam auch prompt ... Ärger!
10.
O bwohl die Rolltore eine riesige Halle erwarten ließen, fand ich mich, sobald ich drinnen war, in einem engen Raum wieder. Ich geriet in einen trostlosen Gang, der sich schnell zu einem wahren Irrgarten von Gängen auswuchs, in dem ich langsam, aber sicher die Orientierung verlor. Tiefe Finsternis umgab mich, und hätte ich mich nicht auf die Restlichtverstärkertechnik meiner Phosphoraugen verlassen können, wäre ich hoffnungslos verloren gewesen. Zwei Dinge erregten meine Aufmerksamkeit. Zum einen standen sämtliche der mit Sicherheitsschlössern bestückten Türen offen. Fabulous und Adrian mochten ja wahre Höllenfürsten sein, doch das Zauberkunststück des Türenaufschließens traute ich ihnen denn doch nicht zu. Die andere Sache war noch wunderlicher, um nicht zu sagen geradezu gespenstisch. Auch wenn es sich bei dem Schuppen um ein seit Jahren leerstehendes und unbeheiztes Gebäude handeln mochte, widersprach es den mir bekannten physikalischen Gesetzen, daß darin noch eisigere Temperaturen als draußen herrschten. Ich schätzte die Temperatur im Freien auf vielleicht minus zwei oder drei Grad. Hier im Innern aber mußte sie um minus zehn Grad betragen.
Mein anfänglicher Mut war binnen Minuten einer recht kläglichen Verzagtheit gewichen. Ein Teil von mir stellte dem anderen die scheinheilige Frage, ob die Dinge nicht ganz von selbst wieder ins Lot kommen würden, wenn ich aus diesem Bibberkasten einfach herausspazierte und heimwärts dackelte. Der andere Teil aber blieb standhaft, auch wenn er hinter jedem Wandvorsprung eine tödliche Falle witterte und bei jedem noch so harmlosen Geräusch aufschreckte und am liebsten einen infernalischen Schrei ausgestoßen hatte. Die sich immer mehr steigernde Beklemmung hatte mein eigentliches Ziel, nämlich Fabulous und Adrian bei ihren undurchsichtigen Aktionen über die Schulter zu schauen, in den Hintergrund gedrängt. Um die
Weitere Kostenlose Bücher