Felidae 4 - Das Duell
Schneefall hatte aufgehört, abgesehen von vereinzelt herumschwebenden Schneeflocken. Es schien, als ob überall Frieden herrschte. Nur nicht in Fabulous' Kopf.
»Hat Adrian dir erzählt, welche Leute in diesem gläsernen Haus wohnen, Francis?«
Ihre Stimme hatte nun etwas Provokantes.
»Ja. Er sagte, daß das Gebäude einer ehemaligen Unternehmerin aus Asien namens Agatha gehöre. Sie wird von ihrem Lebensgefährten, einem gewissen Dr. Gromyko gepflegt. Dieser führt für sie wohl auch den Haushalt und die Geschäfte. Den Eindruck hatte ich jedenfalls.«
Sie lächelte bitter.
»Wenigstens hat er die halbe Wahrheit gesagt. Unternehmerin aus Asien! Klingt, als hätte sie lustige Papierschirmchen mit Geishamotiven importiert! Du wolltest dir zu vorgerückter Stunde kein sattsam bekanntes Moralgesülze mehr anhören müssen, Francis. Tut mir leid, den Gefallen kann ich dir nicht erweisen. Sicherlich hast auch du schon von den abscheulichen Machenschaften der internationalen Pelz- und Ledermafia gehört. Schnall dich an, die hier übertrifft sie alle! Das Pelztragen ist in letzter Zeit in Verruf geraten. Die feine Menschenfrau mag beim Tragen ihres kostbaren Stücks nicht mehr von Erinnerungen an Nerze und Chinchillas heimgesucht werden, die in engen Käfigen kümmerlich dahinvegetieren, um dann bestialisch abgeschlachtet zu werden. Glaubt man. Doch das ist eine Lüge. Die Pelzindustrie macht nach wie vor glänzende Geschäfte. So glänzende, daß die Lieferanten mit dem Material nicht mehr nachkommen. Also muß Ersatz her, ohne daß die kaufkräftige Kundschaft es merkt. Man schätzt, daß etwa die Hälfte der weltweit umgeschlagenen Felle und Pelze von Hunden und von unserer Art stammen. Doch es geht nicht nur um teure Mäntel und flauschiges Innenfutter. Unbemerkt von der Öffentlichkeit sind längst lukrativere Einnahmequellen erschlossen worden. Für Schuhleder, Pelzbesatz, sogar für Rheumadecken müssen unsere Brüder und Schwestern ihr Leben lassen. Ja, du hast richtig gehört, Francis, für Rheumadecken. Die schnurrenden Vierbeiner, so die Werbung einiger Firmen, legen sich zum Schlafen vorwiegend auf bestrahlte Plätze. Über unterirdischen Kreuzungen und Wasseradern fühlen sie sich am wohlsten. Es kann daher vermutet werden, daß dies mit ein Grund ist, warum ihre Felle Erdstrahlungen abschirmen. Selbst ärgste Rheuma- und Ischiasqualen sind mit derartigen Felldecken zu lindern ...«
Ich war erschüttert angesichts solch blühenden Schwachsinns und mußte an die vielen Namenlosen denken, die dieser zynischen Profitgierprosa zum Opfer gefallen waren. Mit einem Male liebte ich Fabulous mehr denn je, weil sie sich nicht mit der Rolle des Schmuckstücks (oder sollte ich besser sagen Möbelstücks?) vor dem Kamin des Herrchens begnügte, sondern ihren Kopf benutzte und engagiert für unsere Sache eintrat.
Dieser schöne Kopf hing nun wie eine verblühte Blume erdwärts, und die magischen Augen darin blickten auf eine Norman-Rockwell-Schneeidylle unter einem saphirblauen Himmelszelt, ohne jedoch wirklich etwas zu sehen.
»Was hat diese Geschichte mit den komischen Gestalten im Glashaus zu tun, Fabulous?« unterbrach ich sie, um sie daran zu hindern, sich in die wirklich ekligen Details hineinzusteigern. Doch sie dachte anscheinend nicht daran, irgend jemanden zu schonen, am allerwenigsten sich selbst.
»Warte es ab, Francis. Man lernt die Leute erst richtig kennen, wenn man von ihren Taten weiß. Die tierliebenden Menschen glauben, daß es sich bei diesen Fellen um die von ganz normal verstorbenen Haustieren handelt. Unbemerkt von der Öffentlichkeit ist ein Millionenmarkt für die Felle unserer Artgenossen entstanden. Längst finden sie etwa in der Bekleidungsindustrie Verwendung: für Jacken, als Mantelfutter oder Kragenbesätze. Vermarktet wird in der Branche offenbar alles, was haarig ist. Billiger Nachschub kommt vor alle m aus Asien, namentlich China und den Philippinen. Unsere Artgenossen und Hunde werden dort unter brutalen Verhältnissen aufgezogen oder aufgegriffen und auf bestialische Weise abgeschlachtet und enthäutet. Es existieren in diesen Ländern sogenannte Farmen und spezielle Schlachthäuser. Sie sind von hohen Betonmauern umgeben, deren Kronen mit Stacheldraht und Glasscherben bewehrt. In jeder Ecke sind Scheinwerfer angebracht. Es ist die Hölle vor dem Tod. Es gibt für die Gefangenen weder etwas zu fressen noch Wasser, da sie ja innerhalb weniger Tage ›verwertet‹ werden sollen.
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