Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman
einigermaßen normalen Auffassungsgabe auch versteht?« Mir reichte es jetzt endgültig mit diesen ach so feinsinnigen und mysteriösen Andeutungen, Geist hin, Geist her. Schließlich war ich nicht mehrmals dem Tode entronnen, um jetzt in aller Gemütlichkeit Kreuzworträtsel zu lösen.
»Gut, ich habe dich überfordert«, sagte er. »Francis, konzentriere dich nun auf die nächste Etappe.«
»Etappe? Ich dachte, im Regierungsviertel endet das Ganze.«
»Nein, nicht ganz. Wann hast du das letzte Mal das Wort Regierungsviertel vernommen?«
»Vor ein paar Minuten, als Sybilla erwähnte, wohin die Reise geht.«
»Und davor?«
Ich überlegte. Meine Güte, vermutlich hatte ich das Wort schon hunderttausendmal gehört. Schließlich war
ich ein politisch interessierter Zeitgenosse, und ohne dass Gustav es je registriert hätte, hatte ich während unserer Glotze-Sitzungen auf der Couch diesen Ort mit einem aufgeklappten Auge bis zum Überdruss in den Nachrichten begutachten dürfen. Vermutlich hatte ich dabei zum letzten Mal das Wort Regierungsviertel vernommen … Halt, das stimmte nicht. Wirklich zum letzten Mal war das Regierungsviertel, genauer das Kanzleramt im Radio erwähnt worden, und zwar bevor der ganze Ärger begonnen hatte. Ich erinnerte mich, wie ich im Garten saß und die Nachrichten aus der Küche zu mir gedrungen waren. Im Kanzleramt kämen zum ersten Mal über fünfzig Staatschefs unterschiedlicher Nationen zusammen, wurde da wichtigtuerisch getönt, um nach einer koordinierten Lösung für die Wirtschaftskrise zu suchen. Tolle Sache!, hatte ich darüber im Geiste gespottet und auf Durchzug geschaltet, weil solche politischen Zusammenkünfte bei den miesen Regierungen heutzutage wenn nicht an der Tages-, so doch an der Monatsordnung standen. Allerdings hätte mich ein Detail doch aufhorchen lassen müssen. Die Anzahl der Staatschefs! Soweit ich mich erinnerte, hatten sich noch niemals zuvor so viele von der Bande zur selben Zeit am gleichen Ort versammelt. Ich meine, wenn dort eine Bombe eingeschlagen wäre, hätte die halbe Welt führungslos dagestanden. Allerdings konnte es wohl keinen sichereren Platz auf Erden geben, denn die Sicherheitsvorkehrungen mussten wohl vom Aufwand her alles bis jetzt Dagewesene übertreffen. Aber wieso? Worum ging es? Hatte diese Zusammenrottung – der Gewinner der Preisfrage bekam jetzt den Lolly – in Wahrheit womöglich etwas mit diesem
mysteriösen Zeit-Kuddelmuddel zu tun? Und mit dem religiösen Glauben der Altägypter an die Felidae? Mir schwirrte der Kopf. Verschwörungstheorien, schön und gut, aber diese Spekulationen gehörten doch wohl wirklich ins Reich der Sagen und Mythen. Und doch stand ein Kerl vor mir, der sich gerade von einer Skulptur in Pi verwandelt hatte.
»Das Zusammentreffen der Staatschefs im Kanzleramt!«, rief ich. Etwas zu laut, wie ich gestehen muss, selbst der Geist zuckte zusammen.
»Bleib cool, Francis. Kein Grund überzureagieren. Doch du hast recht. Darum geht es. Du musst versuchen, da reinzukommen.«
»Wohin?«
»Ins Kanzleramt. Genauer, in diese Sitzung, wo alle anwesend sind.«
»Ach so, und ich dachte schon, ich soll die Lottozahlen vom kommenden Wochenende erraten. Na, wenn’s weiter nichts ist. Und was mache ich, wenn ich drin bin: mein Namensschildchen vor mir auf dem Tisch aufstellen, mit dem Glöckchen läuten und in die Runde ›Die Sitzung ist eröffnet! ‹ rufen?«
»So ungefähr.« Er deutete ein Lächeln an. Doch er war nicht der Typ, der es in Sachen Humor zu einer Meisterschaft gebracht hätte.
»Was ist denn, wenn ich mich weigere? Diese nicht mehr unter uns weilende Dame hier …« Ich deutete mit dem Kopf auf Sybillas Leiche, die schlaff und mit aufgerissenen Augen wie hingeweht über der Statue lag und geradewegs in die ebenfalls aufgerissenen Pupillen des glatzköpfigen
Killers unter ihr starrte. Kein schöner Anblick. Dennoch ging von ihrem ausgemergelten Heroin-Look immer noch eine perverse Anziehungskraft aus. »… sie sagte etwas sehr Weises, bevor du dich in unsere anregende Diskussion eingemischt hast: ›Was spielt es denn für uns für eine Rolle, ob die Zeit sich vorwärts oder rückwärts fortbewegt? Die meiste Zeit verbringen wir sowieso mit Pennen.‹ Wenn du mich fragst, hätte selbst der olle Einstein den Nagel nicht besser auf den Kopf treffen können.«
»Ja, sehr ulkig. Du wirst dich trotzdem nicht weigern. Im Gegenteil. Denk an deine krankhafte Neugier. Sie verzehrt dich, sie
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