Felidae 8 - Göttergleich: Ein Felidae-Roman

steuert dich fern, sie ist – du, Francis.«
    Eins zu Null für den Geist. Jetzt hatte er mich in der Pfote.
    Der Laster wurde allmählich langsamer, bis er die Geschwindigkeit auf Schritttempo drosselte. Ich wandte mich zu der linken Seitenwand, wo sich auf Augenhöhe die längs verlaufenden Schlitze befanden, und linste nach draußen. Tatsächlich, wir steuerten geradewegs auf das mir aus der Presse bekannte Gebäudegebirge aus jahrhundertealter Bombastarchitektur und neu hinzugefügten Modernismen zu. Kupferfarben beleuchtet von Bodenstrahlern, bot sich mir eine unübersichtliche Fülle von Polygonalmauerwerk, königlichen Freitreppen, Säulengängen, pompösen Barockkuppeln, Stuck- und Friesexplosionen, Batterien von Rundbogenfenstern und Reliefs und Plastiken mit nationalen Motiven. Das alles wurde aufgelockert mittels geschmackvoll angepasster Glaspavillons, eckiger Waschbetonelemente, jeder Menge poliertem Edelstahl und tipptopp gepflegten Rasenflächen. Überall wehten Nationalfahnen, unter denen
noch weit mehr Personenschützer und Sicherheitsleute umherhuschten, teils in dunklen Anzügen, teils uniformiert und mit der Maschinenpistole im Anschlag.
    Doch wie es aussah, hatte man uns nicht gerade den roten Teppich ausgerollt. Ich spürte, dass die Fahrbahn auf einmal abschüssig wurde. Es ging offenkundig in die Tiefgarage des Regierungskomplexes, was schlüssig klang, denn irgendwo mussten ja die Wagen für die vielen Beamten und Angestellten im Dienste des Staatsapparats geparkt werden, ganz zu schweigen von den repräsentativen Karossen für die hohen Tiere. Sehr schnell aber stellte sich diese Annahme als Trugschluss heraus. Zwar fuhr der Laster durch einen tunnelähnlichen, schummerigen Betonschacht in den Untergrund, wie es bei Zugängen zu Tiefgaragen üblich ist, doch dieser Schacht hier fand einfach kein Ende. Die zurückgelegte Strecke war für eine Tiefgarageneinfahrt einfach zu lang. Obwohl ich sie nicht sehen konnte, nahm ich an, dass die übrigen Laster mit der heißen Ware vor und hinter uns ebenfalls in dieser Röhre unterwegs waren.
    »Ich soll mich also um jeden Preis zu dieser Konferenz mit den gesalbten Häuptern durchkämpfen«, sagte ich zu Pi, ohne mich zu ihm zu wenden, weil ich unbedingt mitbekommen wollte, welches Ziel wir ansteuerten. »Nun, das hier macht nicht den Eindruck, als hielten wir darauf Kurs. Ich meine, ich kann mir wirklich nicht vorstellen, dass der amerikanische Präsident an einer Sitzung ›20 000 Meilen unter dem Meer‹ teilnimmt. Oder aber es handelt sich um die Zufahrt zum Atombunker der Regierung.«
    Ich bekam keine Antwort. Pi gab keinen Pieps von sich.
Deshalb drehte ich mich um. Er war verschwunden, wie weggezaubert. Mein Blick wanderte zu dem Regal, auf dessen oberstem Brett er bis vor Kurzem eine Statue gemimt hatte. Auch dort klaffte jetzt eine Lücke. Seine Botschaft verstand ich sofort: Mist, alles musste man selbst machen!

14
    Als die Ladetüren sich auftaten, bot sich mir ein Anblick, der mir den Atem raubte. Ich konnte mich kaum entscheiden, ob ich vor Faszination oder Entsetzen erstarren sollte. Bei dem Ort, an dem der Laster schließlich zum Stehen gekommen war, handelte es sich in der Tat um eine Lagerhalle. Allerdings eine der extravaganten Art. Sie besaß eine derart titanische Ausdehnung, dass man kaum zu überblicken vermochte, wo sie anfing und wo sie aufhörte. Das Gleiche galt auch in Bezug auf ihre Höhe. Mindestens dreißig Meter musste sie betragen, wenn nicht noch mehr. Das Ganze glich einer unterirdischen Kleinstadt, die ausschließlich von hier gelagertem Zeug »bewohnt« wurde. All das erschloss sich mir augenblicklich, obgleich ich mich hinter einer der Mammutstatuen versteckt hatte, als die Umzugsleute die Türen öffneten. Als sie endlich weg waren, vermutlich um die anderen Laster aufzumachen, sprang ich schnell von der Ladefläche herunter und spazierte vorsichtig durch diese absonderliche Geheimstadt.
    Die Mehrheit der Bewohner darin waren Holzkisten unterschiedlicher Größe, von denen jedoch der überwiegende Teil die Ausmaße eines Panzers hatte. Aufgestellt in Reih
und Glied, zogen sie sich hin gleich Reihenhäuser in einer soeben erbauten Siedlung. Was sie wohl beinhalteten? Mehr als eingebrannte Zahlen- und Buchstabenkombinationen auf der Holzverkleidung gab es nicht zu sehen. Aber auch für kuriose Abwechslung war gesorgt. Zwischen den Kisten lagerten so merkwürdige Exponate wie komplette Kampfbomber, meist