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Felidae Metamorphosis (German Edition)

Felidae Metamorphosis (German Edition)

Titel: Felidae Metamorphosis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Kastenholz
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war sie auch nach Blackwood gekommen, um Klarheit darüber zu erlangen. Sie würde weiter studieren, keine Frage. Doch ob sie eine medizinische Laufbahn einschlagen würde, war ebenso ungewiss wie das Wetter nächstes Jahr. Der Arzt wäre glücklich darüber gewesen, sie wusste das. Er war nie verheiratet gewesen und hatte keine Kinder, denen er seine Praxis vermachen konnte. Niemand, der ihn beerbte und sein Werk fortsetzte. Dabei hatte er seinen Beruf immer als etwas Besonderes betrachtet. Menschen zu helfen … gab es etwas Schöneres? Es war für ihn weitaus mehr als ein Beruf, sondern vielmehr Berufung.
    Ob Felicia ebenso diese Berufung verspürte, genau das versuchte sie in dieser Auszeit herauszufinden. Das und noch vieles mehr.
    „Dr. Andersons Pachtvertrag läuft in vier Jahren aus …“ Kurz blieb er stehen und wandte sich zu ihr um. „Du müsstest genialer als Einstein sein, um es früher zu schaffen.“
    Insgeheim musste sie grinsen. Subtilität war niemals eine seiner Stärken gewesen. Er wollte, dass sie die nächste Ärztin in Blackwood wurde. Fragte sich nur, ob sie das ebenfalls wollte.
    „Einstein konnte nicht zur Raubkatze werden …“
    „Und falls doch, so wurde es jedenfalls nicht publik.“
    Erneut musste sie lachen. In ihrem Kopf tauchte das Bild des alten, weißhaarigen Nobelpreisträgers auf, der seine Zunge herausstreckte: ein weltbekanntes Motiv. In ihrer Phantasie flossen die Züge eines Tigers ein.
    „Aber im Ernst.“ Ihre Erheiterung schien wie ausgeknipst. „Wie soll jemand Nachtdienst machen, der sich bei Vollmond in ein Monster verwandelt?“
    „Du bist kein Monster.“
    „Meine Patienten wären da anderer Meinung.“
    „Zur Hölle mit denen …“ Seine jahrzehntelange Arbeit hier bewies, er meinte es nicht so. „Apropos verwandeln …“
    „Nein, nichts Neues“, schüttelte sie den Kopf. „Bei Vollmond geschieht es automatisch, ansonsten nur dann, wenn ich will.“
    „Genau wie bei deiner Mutter.“
    Dazu schwieg sie. Ihre gute Laune schien abrupt in einen bodenlosen Brunnen zu stürzen.
    Wie gern hätte sie ihre Mutter so vieles gefragt, das im Dunkeln lag. Ob sie noch Verwandte hatte, die ebenso über diese Gabe verfügten. Und woher diese Gabe kam. Aber nichts von allem. Ihr Vater habe Jennifer in New Orleans getroffen, sie hatten sich verliebt und sie hatte ihn darum gebeten, sie nie nach ihrer Vergangenheit zu fragen. Irgendwann hätten sie darüber gesprochen, ohne Zweifel.
    Ihr Tod hatte auch das verhindert.
     
    ***
     
    Felicias Vater hatte ihr strikt verboten, nach Blackwood zu fahren. Selbst als sie in ein Alter gekommen war, in dem man sich von niemandem etwas verbieten ließ, war es für sie selbstverständlich gewesen, seinen Wunsch zu respektieren.
    Lediglich bei seiner Beerdigung hatte sie einige Tage hier verbracht. Doch die Erinnerung daran war verschwommen, betäubt durch den Schock, in dem sie sich befunden hatte und der irgendwie noch immer vorhielt.
    Der Tod ihres Vaters hatte sie traumatisiert. Alles andere wäre auch wider die Natur gewesen. Aber wenigstens wollte sie dazu stehen, anstatt es zu verdrängen. Für sie war das eine Grundvoraussetzung dafür, darüber hinwegzukommen.
    „Eigentlich würde ich dich gern zum Essen einladen“, meinte der Arzt, nachdem sie sich fast eine Stunde gegenseitig wichtige Lappalien erzählt hatten.
    „Heute besser nicht. Du weißt, warum?“
    „Deshalb sagte ich ja auch ‚eigentlich‘. Erstens schaust du ständig aus dem Fenster, zweitens weiß ich es auch so.“
    Sie seufzte. Ihr war nicht bewusst gewesen, wie offensichtlich ihr Benehmen war.
    Draußen war allmählich die Dämmerung hereingebrochen. Die Helligkeit wurde verdrängt, die Schatten wurden länger.
    Was sie von hier aus, im Wohnzimmer des Arztes, nicht sahen, das war der große, volle Mond am Himmel, der allmählich seine Macht entfaltete.
    Auch ohne dass Felicia ihn sah – sie spürte ihn!
    Sämtliche Fasern ihres Körpers schienen elektrisch aufgeladen zu sein. Alles kribbelte, alles roch auch anders: intensiver, aufregender – berauschender! Die Erfahrung sagte ihr, das war lediglich der Anfang.
    Ihr ganzes Leben wurde sie nicht nur von ihm begleitet, er bestimmte es auch zu einem beträchtlichen Teil. Als habe er das Recht dazu erworben allein durch den Umstand, dass er groß, golden und bösartig funkelnd am Himmel gestanden hatte, als Felicia ihren ersten Atemzug machte.
    Eine sardonisch grinsende Fratze schien auf seiner

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