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Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
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wichtigtuerisch mit dem Ding in seiner Hand, als vollführe er ein Kunststück.
    »Verzweifle nicht, mein Freund. Der Tod ist nur auf den ersten Blick eine endgültige Angelegenheit. Bedenke, wie ER rief ›Lazarus, komm heraus!‹ Und auch den Fall Claudandus solltest du in deine Betrachtungen mit aufnehmen. Ich lebe ja auch immer weiter, obwohl ich schon längst tot bin. Pa ß auf! ... «
    Er drosch mit dem Spielkreuz wie mit einer Peitsche nach unten. Plötzlich wuchsen Abertausende von schwarzen Spielfäden aus den Führungshölzern heraus und schossen fächerartig auseinander. Ihre Enden verfingen sich wie Angelhaken an den Gliedern der toten Körper.
    Mendel ri ß das Spielkreuz in die Höhe und schrie fröhlich: »Und hopp, hopp, hopp, hopp! ...«
    Ein grausiges, markerschütterndes Gejaule, das wie ein rückwärtslaufender Bestattungsmarsch klang, erschallte aus den Mäulern der wiedererweckten Toten und formte sich zu einem endlosen Hallstrudel. Meine Rückenhaare sträubten sich, als hätten sie sich in Drahtborsten verwandelt. Ich befürchtete, meinen Verstand zu verlieren, wenn ich diesem irrsinnigen Schauspiel länger beiwohnen würde. Aber es gab kein Entrinnen.
    Die Toten erwachten aus ihrem Totenschlaf, kamen mit eckigen Bewegungen auf die Beine und standen dann in Reih und Glied. Der Puppenspieler wirbelte virtuos mit dem Spielkreuz und zog geschickt die Fäden. Begleitet von dem Jaulsingsang, begannen die Heerscharen der Zombies einen roboterhaften Tanz zu stampfen, wobei sie von den Fäden immer wieder hin- und hergeschleudert oder zu ruckhaften Sprüngen und Pirouetten genötigt wurden. Ich sah Felicitas, wie sie im Rhythmus der schrecklichen Musik mechanisch ihren Kopf hinauf und hinab ri ß , und Blaubart, wie er trotz seiner diversen Verstümmelungen grotesk wirkende Ballettposen nachzuahmen versuchte. Doch ungeachtet der schwungvollen Bewegungen, des rasanten Tempos, war ihren Gesichtern der Widerwille, das Sich-Aufbegehren gegen die Wiedererweckung anzumerken.
    Mendel aber steigerte sich in einen unbändigen Rausch hinein, zerrte das Spielkreuz wie wahnsinnig hin und her und auf und nieder und fing schließlich an, selbst tobend zu tanzen. Die Felidae-Totenarmee gehorchte seinen grausigen Befehlen und überschlug sich vor waghalsigen Verrenkungen und ekstatischer Stampferei.
    »Und hopp, hopp, hopp, hopp!« sang der Riese lallend wie von Sinnen. »Versuche über Pflanzenhybriden! Versuche über Pflanzenhybriden! Mehr Versuche über Pflanzenhybriden! Des Pudels Kern verbirgt sich in der Erbse! Versuche über Pflanzenhybriden! Versuche über Pflanzenhybriden! ... «
    Während er dies wie ein übergeschnappter Papagei wiederholte und wiederholte und mit seiner abartigen Tänzelei fortfuhr, wuchs er immer höher, bis er die Dimensionen eines Hochhauses annahm. Die Untoten jedoch hielten die Belastung des wilden Tanzes nicht länger aus und zerfielen nach und nach in ihre Bestandteile. Losgelöste Glieder, verweste Köpfe, undefinierbare Organe flogen wie bei einer immerwährenden Explosion umher und verdichteten sich langsam zu einer schwarzen, stinkenden Wolke, aus deren Mitte sich Gregor Johann Mendel mit irre lachendem Gesicht wie ein Hurrikan emporhob ...
    Als ich die Augen aufri ß , stand Mendel vor mir und lächelte mich merkwürdig an. Ich wollte schreien, als ich im nächsten Moment erkannte, da ß der Mensch vor mir nicht das tanzende Ungeheuer, sondern Gustav war. Er hockte sich neben mich auf den Fußboden und streichelte mich sanft. Ich zitterte am ganzen Leib, als hätte ich in einer Kühltruhe übernachtet.
    Es war inzwischen Abend geworden, und ein orkanartiger Wind pfiff um das Haus. Die Fensterläden, deren Befestigungsklammern allesamt abgefallen waren, schlugen draußen unkontrolliert gegen Mauern und verursachten furchterregende Geräusche. Gustav hatte im Zimmer vier Kerzen angezündet, deren flackernder Schein die gespenstische Stimmung auf die Spitze trieb. Als er kurz aus dem Raum verschwand und später mit dem Fernseh-Portable in der einen Hand und mit dem Feldbett in der anderen wieder zurückkam, wu ß te ich, welchen Tag wir hatten. Es war Samstag und Zeit für Gustavs geheiligten Spätfilm. Durch all die schauderhaften Geschehnisse der vergangenen Tage, vor allen Dingen des heutigen Tages, war mir jegliches Zeitgefühl abhandengekommen.
    Gustav ging noch mehrmals hinaus, schleppte Bettzeug, diverse Kissen und seine SamstagabendEisbombe ins Zimmer, deren letztes

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