Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Felidae

Felidae

Titel: Felidae Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Akif Pirincci
Vom Netzwerk:
die schmale Stufe begrenzte derartige ballistische Feinheiten. Behutsam erhob ich mich, reckte und streckte den schmerzdurchdrungenen Körper, bis ganz allmählich Milderung eintrat. Dann begann ich intensiv zu horchen.
    Wenn meine Ohren sich nicht täuschten, feierten die Brüder dort unten Karneval oder so was. Ein Kratzen, Schlurfen und Fiepsen drang aus allen Winkeln des Kellers, da ß es mir ganz warm ums Herz wurde. Ob ich wohl das Glück haben würde, so einer richtig fetten, selbstzufriedenen, dreist grinsenden Ratte zu begegnen? Nein, das wäre zu viel des Glücks!
    Ich schaltete auf »Geräuschlos-Modus« um. Das heißt, alle meine Bewegungen wurden so sachte und langsam ausgeführt, da ß sie denen eines in Zeitlupe tanzenden Balletttänzers glichen. Da meine Augen sich inzwischen an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, nahm ich nun meine Umgebung in allen Einzelheiten wahr. Die Treppe endete in einem engen, stickigen Raum, der vollgestopft war mit dem Gerümpel medizinischer Geräte und Instrumente. Also alles wie gehabt. Ich hatte mich mittlerweile derart an die Spuren von Doktor Frankenstein gewöhnt, da ß ich das Zeug erst gar nicht beachtete. Die Tür zum eigentlichen Kellerlabyrinth stand einen Spalt breit offen, und ich näherte mich diesem Spalt mit einer Behutsamkeit und Vorsicht, als sei ich beauftragt, eine Bombe zu entschärfen. Dann, nachdem ich neben dem Türpfosten Stellung bezogen hatte, riskierte ich einen Blick hinein.
    Das Paradies! Und zwar im biblischen Sinne. Mindestens vier Ratten konnte ich mit einem Blick erfassen, wobei ein besonders wohlgenährtes Exemplar von einem Rattenpascha auf einem erhöhten Platz thronend den Oberengel markierte und gefällige, wenn auch etwas gelangweilte Blicke auf seine Untergebenen warf.
    Der riesige, finstere Raum war im Gegensatz zu den anderen gerammelt voll mit Papier. Berge von Akten, Computerausdrucken, Büchern, Formularen und verschnürten Briefstößen bildeten eine imposante Grand-Canyon-Landschaft, die richtige Schluchten, Krater, Felsterrassen und Täler aus Papier aufzuweisen hatte. Und darauf, darunter und dazwischen unsere Freunde. Immer emsig, immer gesellig, immer lustig, geduldig auf den Tag X ihrer Machtübernahme wartend.
    Trotz der rosigen Aussichten überfiel mich ein Anflug von Depression und Niedergeschlagenheit. Für einen Moment schweiften meine Gedanken ab und kehrten wieder zu dem Alptraum, zu Felicitas und all den anderen zurück, die so grauenvoll dahingerafft worden waren. Ich lebte in einem blutigen Tollhaus und trieb tolldreisten Schabernack, um mich von dem allgegenwärtigen Terror abzulenken. Nach dem Motto: Lacht dich der Wahnsinn an, lach zurück! Ich wusste nicht, ob ich über dieses Motto lachen oder weinen sollte.
    Plötzlich wurde ich von kalter Wut übermannt. Ich durfte mich von diesen destruktiven Gedanken nicht herunterziehen lassen. Positiv sollten Sie Ihren Tag beginnen! Auch ein hübsches Motto. Die Jagd war nun angesagt, und ich spürte, wie der uralte Instinkt von meinem ganzen Wesen Besitz ergriff, wie ich immer zorniger auf diese Ratten wurde, die da mit ihren stumpfsinnigen Hirnen wie ferngesteuerte Roboter nur an Fortpflanzung und an etwas E ß bares dachten. Ich wollte ihnen den Garaus machen, sie lehren, was Hölle ist. Jetzt!
    Wie ein Stahlpfeil scho ß ich auf den höchsten Papierstoß hinauf und rammte meine Reißzähne in den Hals der Pascharatte. Der Knabe war so überrascht und geschockt, da ß er augenblicklich auf den Papierstoß schi ß . Aber ich hatte ihn nur verwundet, den guten alten Nackenbi ß nicht anbringen können. Jetzt zappelte er heulend zwischen meinen Zähnen, während seine Kumpane unten aufgeregt fiepsend umherrannten und nach einem Unterschlupf suchten. Auch ich mu ß te aufpassen, denn das stinkende Biest besaß genauso scharfe Zähne wie ich. Ich ließ von ihm ab und bearbeitete ihn mit ein paar kräftigen Tatzenschwingern. Blutbesudelt wie eine abgestochene Sau torkelte er davon, versuchte kopflos, Reißaus zu nehmen und stürzte schließlich vom Papierstoß herunter.
    Unten angekommen, schienen seine Kräfte wieder zurückzukehren, und er beschleunigte sein Tempo. Ich tat einen Riesensatz und ließ mich von oben genau auf seinen Rücken fallen. Er ri ß das Maul auf und schickte einen gellenden Schrei gen Himmel. Ich bi ß mit aller Wucht zu. Das Genick des Paschas knackte laut, und der Schrei brach abrupt ab. Dann schlo ß er müde die Augen, als

Weitere Kostenlose Bücher