Felipolis - Ein Felidae-Roman
unsere Gefilde? Doch nicht mit einem Last-Minute-Ticket von Ryanair?«
»Nejn, ech flieg nech gern, mej Bester. Ech ben mehr fir de Ejsenbahn. Natürlech erster Klasse. De Diskriminierung von de Unterprivilegierten liegt ma fern. Obba unter ins: Leit, de wos sech auff da Rejse gepflegt ejnen Château Lafitte genejhmigen, sennen mer sympathischer als welche jene, wos sech ejn Bier nach dem andernen in sech hinejnschitten.«
Mir klappte der Unterkiefer herunter. »Du hast wirklich die weite Reise mit dem Zug gemacht?«
Herzl lächelte nun statt steif recht blasiert, als lebte ich hinterm Mond. »Selbstverständlech bin ech oft mit’m Zug unterwegs - bej de vielen Konferenzen. Es is gonz ejnfach: Ma streint zum nächsten Bahnhof und trejbt sech auf’m Bahnstejg herum, bis dos der richtige Zug kemmt. Bej dem Gewure, wenn de Menschen nervös aus- und ejnstejgen, fallt sowieso niemand auf, dos unsereins sech met in den Waggon
hinejndrückt. Wennste unterwegens Hunger odar Durscht bekemmst, isses gonz ejnfach: Bej de ältern Herrschoften schmusen gejn und gaggern wia a klejnes Kind. Donn tejlen se gern mit dir dos unkoschere Futter ausm Spejsewogn. Und se verstecken dech vorm Schaffner. Dos Gehejmnis vim angenejhmen Rejsen is, sejnem kulturellen Maßstab treu ze blejben.«
»Sehr clever«, sagte ich. Entweder hatte der Kerl eine Meise von der Größe eines Meteoriten oder es faustdick hinter den Ohren. Er schien undurchsichtig und weltgewandt zugleich. Wenn es überhaupt stimmte, was er von sich gab. »Darf ich vielleicht den Grund erfahren, warum du eine so weite Reise auf dich genommen hast, Herzl?«
»Wej geschrien, Francis. Dejn Ton würde sogar dem strengsten Oberkommissär Ehre machen. Ech denk, ech bin aus dem glejchenen Grund hier als we du.«
»Es geht um diese Alleinerbin?«
»Na: nu jo. De Nochricht hot sech wie a Lauffeier rund um de gonze Welt verbrejtet. In dene Medien werd über nix andernes mehr geredt. Dos a Mensch dem milljonenschweren Jackpot knackt, ist jo heutzetog scho a fette Schlogzeile wert. Doch wenn es Schicksol von am Weltkonzern von ejnem klejnen Tier abhängt, hält sech wohl eppes länger auf de Titelblätter. Wos soll ech sogen? Ech bin auch nur a Opfer der Medien. Es is de rejne Nejgier. Ech mecht gern sehn, wos a soana Zirkus noch für Blüten trejbt.«
»Ich glaube nicht, dass wir aus dem gleichen Grund hier sind, Herzl«, log ich. Und log weiter: »Wir in unserem Revier kümmern uns umeinander. Deshalb trieb mich nicht wie dich die Neugier hierher, sondern die Sorge um die Alleinerb…
um Domino. Für die Menschen mit ihrer immerwährenden Jagd nach dem großen Geld stellt sie ganz offensichtlich ein Hindernis dar.« Es war unfassbar, wie fantasielos ich Blaubarts Argumentation übernahm. »Allerdings ein im wahrsten Sinne des Wortes kleines Hindernis, das von den Leerausgegangenen mal versehentlich zerquetscht werden könnte, wenn du verstehst, was ich meine.«
»Auf den Gedonken ben ech auch scho gekommen, mej Bester. Glaub nur nich, doss Herzl herzlos is und wegen voyeuristischem Vergnügen ejne von de Unsrigen mit Freud gern in Gefahr sieht. Odar hejß ech etwa Freud? Im Gegentejl, auch ech möcht fir die Klejne ejne Hilfe lejsten, sowejt ech konn, wo ech doch a unermüdlicher Verfechter für unsere Sache ben und a Professer für feline Zukunftsprojekte.«
»Du bist Professor?« Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.
Herzl bemerkte es, und sein Ausdruck entgleiste ein wenig. Er schnaubte wie ein beleidigtes Rennpferd, das ein Laie für einen Brauereigaul gehalten hat. Sein anthrazitblaues Fell plusterte sich in Sekundenschnelle auf. »Natürlech ben ech kejn Professer im Sinn von menschlichem Bildungs- und Forschungsbetrieb, mej Bester. Wie hätt ech denn ejner werden solln, wo de Unsrigen ihren Verstand scho an der Garderob abgeben, sobald se eppes zum Fressen aus Menschenhand nasern? Odar a Aussicht auf an hirnlosen Sex. Odar a Gelegenhejt, ihr meschuggenes Revier zu vertejdigen wie der letzte Ganov. De Wohrheit is, doss de Unsrigen - unsere Rasse - es nie nischt fertiggebrocht hat, auch nur im Ansatz so eppes wie Kultur und Wissenschaft aufzebauen. Nicht umarasonst is des Wort ›Tier‹ immer met Mitleid und met ejnem
herablassenden Blick verbunden. Ech bin also sozuquasi ejn autodidaktischer Professer.«
»Verstehe«, sagte ich. »Doch Tier genug bist du schon noch, um nicht Erste-Klasse-Reisen nur um des schnöden Mammons wegen zu unternehmen, Professor?
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