Felipolis - Ein Felidae-Roman
energischen Eindruck, wiewohl seine Erscheinung in ästhetischer Hinsicht einer Katastrophe gleichkam. Nicht nur, dass der braunrote Kerl mit den saphirblauen Augen so vollgefressen wie ein bis zum Platzen gedehnter Staubsaugerbeutel
aussah, er hätte sich auch als imposanter Kaputter bei »Fluch der Karibik« fabelhaft neben Johnny Depp gemacht. Er schien ausschließlich aus Schmissen, Narben, gebrochenen und nicht gerade ebenmäßig zusammengewachsenen Gliedern und einem geknickten Schwanz zu bestehen. Ebenso wie Blaubart hatte er kaum noch Zähne im Maul.
»Glück zurück!«, erwiderte ich.
Seine Bande befand sich in nicht viel besserem Zustand als er selbst. Alles Sieche, Verkrüppelte und abnorm Dürre mit teils ziemlich lichtem Fell, kurz, ein einziger Trümmerhaufen. Allerdings schien ihr Elend sie nicht weiter zu bekümmern. Im Gegenteil, so rattenhaft zuversichtlich, wie sie durch ihre entzündeten Glubscher dreinblickten, versprach ihnen die Zukunft offenkundig stets etwas Aufregendes. Herzl, eine nicht minder wunderliche Gestalt, besah sich die Meute mit einer Mischung aus Amüsement und Befremden.
»Kann es sein, dass ihr aus demselben Grund wie wir hier seid, Freunde? Ich meine, aus reiner Anteilnahme an der armen Erbin?«, fragte ich.
»Nicht ganz«, sagte der Dicke, und seine wie verknotet wirkenden Schnurrhaare vibrierten. »Es geht uns vornehmlich um die Vergesellschaftung des Kapitals. Darf ich uns zunächst einmal vorstellen. Mein Name ist Josef.« Dann wandte er sich zu seinem mit ihm vibrierenden Haufen und vollführte mit der linken Vorderpfote eine ausladende, stolze Geste. »Wir sind die ›Internationale Proletarische Union‹!«
»Was für’n Ding?«
»Du hast schon richtig gehört, Genosse. Eurem tadellosen Aussehen nach zu urteilen, habt ihr beide euch von der menschlichen Bourgeoisie abhängig gemacht und eure
Knechtschaft akzeptiert. Doch wir verfolgen das Ziel der Revolution.«
»Aha. Und wann soll die starten? Wenn ihr von fünfzehn auf neunzehn Mitglieder angewachsen seid?«
Der Dicke ließ sich zu keiner missbilligenden, geschweige denn wütenden Reaktion hinreißen. Alle Achtung! Ein waschechter Funktionär, der sein Manifest egal für welchen Zuschauer mit dem gleichen klassenkämpferischen Blech routiniert abspulte. Er bewahrte sich den lächerlichen Ernst in seinen Zügen, wobei ihm sein sozialistischer Anhang an den Lippen hing. »Ironie ist fehl am Platze, Genosse«, sagte er. »Doch ist es systembedingt, dass der Lakai das Verhalten des Herrn, also der herrschenden Klasse imitiert. Wenn auch auf einem armseligen Niveau.« Wow! Jetzt hatte er es mir aber gegeben. »Du hast insofern recht, Genosse … wie war doch gleich der Name?« Ich verriet ihn ihm, und mit einem Nicken fuhr er fort: »Du hast insofern recht, Francis, dass die proletarische Kraft bis jetzt kaum eine Chance zum Gegenschlag auf den Klassenfeind gehabt hat. Nun aber öffnet sich unserer Sache ein Tor, wie es sich vielleicht nur einmal in einem Jahrhundert öffnet. Gewiss, das große Erbe ist nach dem Recht der Bonzen das Eigentum der Erbin. Aber wie wurde dieses Eigentum einst geschaffen? Und durch wen? Doch nur von den Versklavten selbst, auf ihrem Rücken. Eigentum ist Diebstahl! Wir wollen die Erbin davon überzeugen, dass diese obszön hohen Produktionsmittel wieder zurück in die Pfoten der Proletarier geführt werden sollten, um so die Klassengegensätze endgültig aufzuheben.«
»Oahhh …«, hauchte ich. »Sag mal, Josef, wie hast du es eigentlich geschafft, zwischen dem Stöbern in Mülleimern
nach einem halb verspeisten Kotelett im fortgeschrittenen Schimmelstadium deinen Karl Marx querzulesen? Vor allem, wie um alles in der Welt hast du es geschafft, diesen Ausgemergelten hinter dir mit der krausen Mickymaus-Version eines gescheiterten Weltexperiments die Köpfe zu vernebeln?«
Die Angesprochenen starrten mich so perplex an, als hätte ich behauptet, ich sei der neue Anwärter auf den Dalai Lama.
»Und mit Verlaub, liebe Frejnde«, mischte sich Herzl ein. Offenbar hatte er inzwischen seine Sprache wiedergefunden. »So wie ech das seh, hot unsere Erbin im Augenblick werklich andere Zores, als zu klären, fir welchen Zweck se ihr Vermejgen verwenden will.« Das aufgesetzt dünkelnde Professorengesicht mit den niederhängenden Backentaschen kam wieder zum Vorschein. Es fehlte ihm nur noch eine rauchende Pfeife im Maul.
»Es muss aber am Schluss so oder so zu einer Diktatur des Proletariats
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