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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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sah nach unten – anscheinend auf den Boden. Nein, auf ihren linken Fuß. Sie hielt meinen Schädel fest, sodass ich ihn nicht bewegen und meine Blickrichtung kaum verändern konnte, aber ich konnte Damjohn und Gabe sehen. Sie schauten auch nach unten, während sich ein Ausdruck nackten Grauens in ihre Gesichter schlich. Gabes Gesichtsausdruck veränderte sich zuerst, weil er die Beschwörung vorschriftsmäßig durchgeführt hatte und genau wusste, was sich seinen Augen darbot.
    Juliet ließ los, und dank einer enormen Willensanstrengung hielt ich das Gleichgewicht, während ich abstürzte, sodass ich nur unsanft aufschlug und rückwärts gegen die Wand stolperte, anstatt eine erneute Bruchlandung zu vollführen.
    Für einen kurzen Moment erstarrte jede Bewegung in der Kabine. Damjohn, Gabe, Wieselgesicht, die beiden namenlosen Schlägertypen, sogar Rosa mit ihrem einzigen heilen Auge, sie alle starrten Juliet an, teils verstohlen, teils mit unverhohlener Neugier, als wäre sie im Begriff, einen Toast auszubringen. Mit leicht hochgezogenen Schultern spannte und streckte Juliet ihr Fußgelenk probeweise. Die kaputte Kette rutschte herab und fiel mit einem leisen Klimpern zu Boden.
    » H…hagios ischirus Paraclitus «, deklamierte Gabe zaghaft. » Alpha et Omega, initium et finis … « Juliet drehte sich ohne übertriebene Hast in der Hüfte, aber dennoch fast zu schnell, um es mit den Augen verfolgen zu können, und versetzte ihm einen Tritt in die Magengrube. Er klappte zusammen und gab dabei einen Laut von sich, der klang wie Wasser, das durch einen halb verstopften Abfluss strömte. Auf dem Boden liegend, wo er sich krümmte, hörte ich ihn keuchen, als er versuchte, irgendwelche Worte zu bilden, aber er hatte keine Luft mehr in seinen Lungen, um sie auszusprechen. Juliet rammte einen Fuß gegen seine Kehle, und ein lautes Knacken ertönte, als das Genick brach. Das alles war innerhalb von drei Sekunden geschehen.
    Mit beiden Füßen fest auf dem Boden stehend atmete Juliet tief durch. Für einen kurzen Moment schloss sie ihre schönen Augen. Ihr Antlitz zeigte den Ausdruck von jemand, der im Begriff war, sich einen intensiven Lustgewinn zu verschaffen. Dann schlug sie die Augen auf, beugte und streckte die langen, schlanken Finger einmal, zweimal und wandte sich zu Damjohn um.
    »Tu, wie dir befohlen«, blaffte Damjohn und deutete auf mich. »Erledige ihn!« Er wusste natürlich verdammt genau, dass er das glatt vergessen konnte, aber sein ganzes Leben hatte daraus bestanden, gegen die natürliche Ordnung der Dinge auf vielfältige unentschuldbare Art und Weise zu verstoßen. Man verlor nichts, wenn man am Glücksrad drehte. Nur dass genau das ihm diesmal passierte. Ein Geräusch wie von reißender Seide erklang, und er verlor die Ausstrahlung gönnerhafter Überlegenheit, eine überraschende Menge Blut und etwas, das aussah wie ein beträchtliches verschlungenes Bündel seiner Gedärme. Auch diesmal schien es so, als hätte Juliet sich nicht bewegt. Sie leckte einen Blutstropfen von ihrer Handkante und gab ein heiteres, kehliges Lachen von sich, während Damjohn mit einem Grunzen, das nach unangenehmer Überraschung klang, auf die Couch sackte.
    Füße trommelten auf den Holzplanken, als Arnold zu flüchten versuchte. Die beiden anderen Typen zückten ein Messer beziehungsweise zogen eine Pistole, aber Juliet ging zwischen ihnen hindurch, ließ die Arme kurz nach links und nach rechts zucken, und Blut spritzte, als sie zusammenbrachen. Arnold hatte das Glück, in die andere Richtung zu schauen, als sie ihn einholte. Er bemühte sich so hartnäckig, die Tür zu öffnen, dass er sie nicht kommen sah, und sein Tod, als sie ihn nach vorn stieß – gegen und durch die Kabinenwand hindurch –, musste gnädigerweise schnell eingetreten sein.
    Dann wandte sie sich wieder zu Damjohn um. Der Ausdruck ihres Gesichts verriet mir, was ich wissen musste. Sie hatte ihn nicht aus Achtlosigkeit, rein zufällig oder aus einer Laune heraus am Leben gelassen. Sie wollte sich mit ihm Zeit nehmen, wollte die Prozedur auskosten. Sie grinste sogar in perverser Vorfreude.
    Mit dem letzten Rest Willenskraft, der noch in mir steckte, taumelte ich zu Rosa, warf mich halb über sie und schirmte sie mit meinem Körper ab. Dabei hielt ich die Augen fest geschlossen. Es war schlimm genug, Teil von Juliets Ernährungs- und Paarungsritual zu sein, ihr aber dabei zuzusehen war noch viel schlimmer. Damjohns Wimmern und Schluchzen war noch

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