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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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Postsack von ihrem Kopf zog. Darunter war sie mit einem Stück Stoff und einem Seil geknebelt, und ihr rechtes Auge war zugeschwollen. Das andere war jedoch offen, und der Ausdruck, mit dem sie mich ansah, war, wenngleich verängstigt, durchaus wach und aufmerksam. Es schien, als würde sie trotz allem am Ende lebend aus dieser Sache herauskommen. Andererseits ging aus dem, was Damjohn sagte, hervor, dass sie sich höchstens über eine Galgenfrist freuen dürfe.
    »Sehen Sie«, sagte Damjohn und lächelte fast schelmisch. »Ich stehe zu meinem Wort, wenn ich es für nötig halte.« Ich fragte mich, ob dies wirklich der Grund war, warum er sie mir gezeigt hatte. War es möglich, dass er nach einem Leben voller Lug und Trug, Vergewaltigung und Mord irgendwo in seinem Innern das Bedürfnis verspürte, noch etwas beweisen zu müssen?
    Gabe hatte inzwischen den kleinen Pinsel zur Hand genommen und malte damit auf meinem Bauch herum. In meiner Magengrube entstand ein widerliches Kribbeln. Die beiden Männer, die mich in die Mitte genommen hatten, hielten meine Arme so fest, dass die Gefahr bestand, dass ihre Durchblutung unterbrochen wurde. Auch wenn ich von der Schädelmassage, die ich zuvor erhalten hatte, nicht mehr allzu sehr geschwächt und angeschlagen war, hätte ich mich niemals aus eigener Kraft aus dieser Zwangslage befreien können.
    »Das ist eine recht zeitraubende Weise, mich umzubringen«, stellte ich fest.
    »Aber sie sieht sehr passend aus«, hielt Damjohn mir entgegen. »Sie sind ein Exorzist, und Sie haben mehr riskiert, als Ihnen am Ende gutgetan hat. So etwas geschieht ständig.«
    Ich fragte mich, was wohl mit meiner Flöte passiert war. Dann entdeckte ich sie auf dem Boden neben Damjohns Füßen – unglaublicherweise immer noch intakt. Er folgte meinem Blick, sah sie auch, schnippte mit den Fingern, deutete darauf, und Arnold apportierte.
    »Das ist aber nicht die, die Sie im Club benutzt haben«, stellte Damjohn fest und drehte das Musikinstrument hin und her. »Was ist das? Das ist keine Flöte.«
    »Es ist eine Querflöte mit umgekehrter konischer Bohrung«, sagte ich. »Eine frühere Version des gleichen Musikinstrumentes. Als Boehm das moderne Ringklappen-Ventilsystem erfand, wanderte dieser Typ in den Mülleimer.«
    Damjohn sah mich an und nickte. »Dort werden auch Sie landen«, klärte er mich auf. »Arnold, ich brauche auch den Bolzenschneider.«
    Er deutete auf das Werkzeug, das halb unter den anderen Diwan gerutscht war. Arnold gehorchte erneut der Stimme seines Herrn, hob das Gewünschte auf und brachte es herüber. Bedächtig stand Damjohn auf und kam zu mir. In der kleinen Kabine musste er nur drei Schritte machen. Er hielt die Flöte vor mir hoch, setzte die Klingen des Bolzenschneiders in der Mitte an und drückte zu. Das Holz der Flöte brach und zerbarst in winzige Stücke. Farbe platzte ab und rieselte zu Boden. Damjohn wischte die Flocken von seinem Ärmel und ließ den Bolzenschneider und die Reste der Flöte mit lautem Klappern auf den Boden fallen.
    »Nur für den Fall, dass Sie gehofft haben, im letzten Augenblick ein Wunder zu vollbringen«, sagte er.
    »Tatsächlich hatte ich vor …«, begann ich, konnte jedoch den Satz nicht beenden und kann mich noch nicht einmal daran erinnern, welche flapsige Bemerkung ich auf den Lippen hatte. Ein heftiger Schmerz schnürte meine Kehle ein, stoppte meinen Atem und ließ mich wortlos nach Luft schnappen, während meine Knie abermals nachgaben.
    Gabe trat zurück und rieb die mit Henna bedeckten Fingerspitzen gegeneinander.
    »Ihr Problem ist, dass Sie zu viel reden, Castor«, sagte er mit einem bösartigen Grinsen. »Oder zumindest haben Sie bisher zu viel geredet. Aber darum habe ich mich ja gekümmert.«
    Es dauerte ein paar Sekunden, bis der Schmerz nachließ. Danach stieß ich ein paar Flüche aus, doch mein Mund war stumm geschaltet. Nicht ein Laut drang über meine Lippen. In diesem Moment wusste ich, was ich längst vermutet hatte, welche Sigille Gabe mir auf die Brust gepinselt hatte. SCHWEIGEN. Er hatte mir erneut die Stimme genommen.
    »Jetzt erledigen Sie den Rest«, sagte Damjohn und wandte sich ab. »Ich habe noch anderes zu tun.«
    Gabe richtete sich zu seiner vollen Größe auf und wurde auf fast komische Art und Weise feierlich. Er begann in mitreißendem Tonfall zu deklamieren. Lateinisch natürlich, aber ausschließlich das mittelalterliche Zeug, bei dem die Satzstellung völlig durcheinander ist und man kaum einem

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