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Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick

Titel: Felix Castor (01) - Den Teufel im Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Carey
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Hintergrund erklang Musik – dekadenter Elektro-Jazz. Jemand lachte schallend auf eine Weise, die andeutete, dass an dem Ort, wo sich das Telefon befand, viele Leute herumhingen.
    »Ich bin’s«, improvisierte ich. Die einzige Antwort war Schweigen, zerrissen durch den Schmerzensruf eines dilettantisch gespielten Saxofons. »Aus dem Archiv«, fügte ich nur so zum Spaß hinzu.
    Mehr Schweigen. »Warten Sie einen Augenblick«, brummte der Mann. Ich wartete. Das Saxofon war verstummt, was bedeutete, dass jemand den Gnadentod gestorben war oder der Mann die Hand auf die Sprechmuschel gelegt hatte.
    Das war alles. Ich hängte ein.
    Als ich noch ein paar Zwanzig-Pence-Münzen in der Hosentasche fand, versuchte ich einen zweiten Anruf. Diesmal meldete sich niemand. Wenn es eine Losung gab, dann war sie sicher nicht »Archiv«. Mein nächster Satz wäre gewesen: »Ein Geist bat mich, Sie anzurufen. Wissen Sie möglicherweise, warum?« Insgesamt betrachtet war es höchstwahrscheinlich für alle das Beste so.
    *
    Ich kam kurz nach neunzehn Uhr zu Pens Haus zurück und fand es leer vor. Die Kellerräume waren verschlossen, und die Zimmer im ersten und zweiten Stock, in denen sie wohnen sollte, es aber nicht tat, waren so kalt und feucht wie immer. Ich stieg hinauf zu meinem Zimmer im ausgedehnten Dachgeschoss des Hauses.
    Während ich die Tür aufschloss, bemerkte ich einen schweren, leicht modrigen Geruch. Das hätte mich warnen müssen, dass etwas nicht stimmte, aber wenn man mit Pen und ihrer magischen Tierschau unter einem Dach lebte, musste man sich schon sehr frühzeitig damit abfinden, dass erdige Gerüche häufige Hausgäste waren.
    Ich stieß die Tür auf.
    Er saß auf dem Bett und war schwer genug, dass sich die Federn unter ihm bogen und sich eine große, geräumige Kuhle um seinen breiten Hintern formte. Es war der Typ vom Vorabend im Pub – und er schaute aus der Nähe betrachtet keinen Deut besser aus. Eher schlimmer. Sein Gesicht war so zerfurcht, dass es aussah wie aus Steckelementen zusammengefügt, und seine Augen hatten einen wässrigen Glanz, der irgendwie krank wirkte. Aber das ließ ihn nicht weniger furchterregend aussehen. Er mochte erkrankt sein, aber auch ein kranker Ochse konnte jede Menge Schaden anrichten.
    Ich ließ einen schnellen Blick durchs Zimmer schweifen. Das Fenster stand einen Spaltbreit offen, aber es befand sich im dritten Stock, und niemand von der kräftigen Gestalt des Burschen hätte es geschafft, am Fallrohr hochzuklettern. Wenn er mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug abgesprungen wäre, hätte ein Loch in der Decke klaffen müssen. Damit blieb nur die offensichtliche Möglichkeit.
    »Verhältnismäßig gut«, lobte ich. »Aber zugleich verhältnismäßig überflüssig. Oder ist das Aktionskunst? Brechen Sie in Häuser ein, sitzen dann herum und warten auf eine Runde Beifall?«
    Ein träger, gepeinigter Ausdruck kroch über sein träges, gepeinigtes Gesicht.
    »Ich bin Scrub«, sagte er, als erklärte das alles. »Ich habe einen Auftrag.« Er brummte derart kehlig, dass seine Stimme kaum zu hören war. Er klang, als brauchte er eine Operation – oder als hätte er eben eine gehabt, die nicht gut verlaufen war.
    »Das ist super.« Ich schlüpfte aus dem Mantel und warf ihn über eine Stuhllehne. Normalerweise hätte ich ihn aufs Bett gelegt, aber um den Riesen herum war nicht mehr viel Platz – und ich hatte den Verdacht, dass er die Bettfedern bereits bis an die Grenzen ihrer Tragfähigkeit malträtierte. »Lassen Sie mich raten. Balletttänzer? Nagelpfleger? Jockey?«
    Es war kein kleines Zimmer, aber mit mir und ihm darin fühlte es sich völlig vollgestopft an. Ich ging ums Bett herum zum Rollschreibtisch, den ich hauptsächlich als Barschrank benutzte. Ich schob die Abdeckung zurück, fand ein Glas, das nicht zu schmutzig war, um hindurchsehen zu können, und schenkte mir einen ordentlichen Whisky ein. Nicht, dass ich Lust auf einen Drink hatte. Ich tat es nur, um den Geruch zu bekämpfen, der nun, da ich mich in dem Zimmer befand, zu stark war, um ihn zu ignorieren. Es war ein Geruch nach verfaulten, verdorbenen, überreifen Dingen, die man noch hatte herumliegen lassen, nachdem sie längst hätten begraben werden sollen. Ein Geruch, den man intuitiv so weit wie möglich von sich weg wünschte.
    »Ich habe einen Auftrag«, wiederholte er ungehalten, »für Sie.«
    Ich trank den Whisky und ließ ihn im Mund kreisen, ehe ich schluckte.
    »Danke«, sagte ich, »für die

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