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Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition)

Titel: Felsenfest: Alpenkrimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Landgrafenfamilie derer von Kapff, Vorschneider des Edlen Carlo von Schwarzenberg, Träger des Großkreuzes zweiter Klasse vom Päpstlichen Orden des Heiligen Pankratius, Schlüsselbewahrer und Mesner ehrenhalber der Abtei Melk, Außerordentlicher Truchsess des Edlen von Niedersalm, Träger des Halsbandes in Silber von Isabella der Frommen – und so weiter, und so weiter. Alle diese Aufgaben übt er natürlich nicht wirklich aus. Sehr zu seinem Ärger sind es nichts als hohle Attribute. Fehlt es nämlich einem seiner Kunden an klingender Münze oder Naturallohn, dann regnet es solche Titularien. Und je höher, länger und erblicher der Titel, desto klammer scheint die Kasse des Klienten zu sein. Folkhart besteht nie auf der Nennung der vielen Namenszusätze, er ist bescheiden – ganz im Gegenteil zu einem seiner Nachfahren, einem gewissen Gottfried (»Gotty«) von Herbrechtsfeld, der knapp siebenhundert Jahre später im Jahre 1986 in der Klasse 7 b des Werdenfels-Gymnasiums bei jeder Klassenarbeit die vollständige Herbrechtsfelder Litanei auf das Blatt schrieb, nur um seinen Sozialkundelehrer zu ärgern. Doch dafür kann der frühe Graf Herbrechtsfeld nun wirklich nichts.
     
    Folkhart steht auf und geht zu der wuchtig gearbeiteten Truhe. Er entriegelt sie und nimmt ein Dokument heraus. Das mehrseitige Schreiben ist in einem brillanten ciceronianistischen Latein abgefasst. Er ist stolz darauf. Die Formulierungen sind sein Werk. FAVOR CONTRACTUS steht als Überschrift da, ganz schlicht und gradlinig, nicht so verschlungen und prächtig wie die Lettern auf den kalligraphischen Kunstwerken der Freifrau. Der Hofschreiber des römisch-deutschen Königs Adolf von Nassau hat es ihm ausgehändigt. Erhalten soll es der Fürstbischof Emicho von Freising, der neue Landesherr der Reichsgrafschaft Werdenfels. Adolf von Nassau hält sich im Norden des Reiches auf, Emicho weilt gerade in Rom. Es ist eine weite Reise, die Folkhart vor sich hat. Es ist eine Reise zwischen Nord und Süd, zwischen dem weltlichen Reich und der christlichen Kirche, zwischen Kopf und Herz, zwischen heiß und kalt. Folkhart ist sich der Ehre bewusst, solch ein wichtiges Dokument in seinem Besitz zu haben. Er ist überzeugt davon, dass es dereinst in die Annalen eingehen wird.
    »Was ist nun aber ein FAVOR CONTRACTUS ?«, hatte ihn der Fürstbischof von Freising gefragt. Es war ein seltsamer Ort für eine Rechtsberatung gewesen. Und ein seltsamer Handel. Folkhart hatte dem hohen Geistlichen eine vertrackte Liegenschaftsangelegenheit erklärt. Die Entlohnung war – ein Beichttermin beim Fürstbischof. Welche Ehre! Folkhart hatte sich die Entlohnung wahrlich üppiger vorgestellt. Im kunstvoll geschnitzten Beichtstuhl des Freisinger Doms hatte es allerdings nicht viel zu beichten gegeben. Eigentlich gar nichts. Die Minuten verrannen mit gegenseitig zugeflüsterten christlichen Formeln. Dann hatte Emicho diese Frage gestellt. Folkhart konnte es ihm genau erklären.
    »Ein FAVOR CONTRACTUS ist ein Vertrag, von dem Ihr nicht zurücktreten könnt. Er gilt sozusagen auf ewig«, wisperte er.
    »Auf ewig?«, entfuhr es dem Fürstbischof. »Wie ist solch eine Klausel in einem weltlichen Vertrag möglich?«
    »Auf ewig heißt, dass er auch dann gilt, wenn die Vertragsparteien den Kontrakt auflösen wollen.«
    »Können solche Verträge zwischen Personen geschlossen werden?«
    »Nein, lediglich zwischen sesshaften Völkern, Fürstentümern, Königreichen –«
    »Bei solch einem Vertrag muss man sich wohl zehnmal überlegen, ob man ihn unterschreibt?«
    »Das ist ganz sicher so. Er wird selten genug geschlossen.«
    »Danket dem Herrn, denn er ist gütig.«
    »Sein Erbarmen währt ewig.«
    »Der Herr hat dir die Sünden vergeben. Gehe hin in Frieden.«
     
    Der Graf verstaut die Vertragskladde mit dem FAVOR CONTRACTUS sorgfältig in seiner Reisetasche. Er lässt seinen Leibdiener kommen.
    »Wir reiten ins Südliche. Heute noch. Eile dich, bereite alles vor.«
    Der Diener nickt und verbeugt sich. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. In den Süden reitet er gerne. Es ist zwar gefährlich im Süden, aber auch durchgehend warm.
     
    Odilo wird der Diener gerufen, er ist in der kleinen Siedlung Germareskauue nahe der ehemaligen römischen Straßenstation Partanum geboren. Er spricht den schweren, konsonantenreichen Dialekt der Alpenbewohner, der einem der holprigen Stampftänze gleicht, die man dort tanzt. Odilo ist ein Bauernsohn aus dem Tal, durch das die Loisach

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