Femme fatale: Der fünfte Fall für Bruno, Chef de Police (German Edition)
Wasser, fast wie ein Wal, um in einem letzten, verzweifelten Versuch das Boot zu erreichen. Wieder konnte er den Bootsrand zwar berühren, sich aber nicht daran festhalten. Der Kahn schaukelte noch mehr, als der Mann ins Wasser zurückfiel.
Die Frau auf der anderen Uferseite kehrte zum Cabrio zurück, startete den Motor und wendete den Wagen. Dann stieg sie wieder aus, ließ aber den Motor laufen und eilte mit einem Handtuch, das sie von der Rückbank holte, auf den Mann im Wasser zu.
»Dieser Idiot hat meine Schnur zerrissen«, spuckte Patrice verächtlich aus, während der Kahn wieder Fahrt aufnahm und in der starken Strömung auf die Brücke zutrieb. »Mein bester Haken ist futsch, und so schnell kann ich keinen neuen aufziehen. – Tja, mehr kann ich leider nicht für dich tun, Bruno.«
2
Bruno bat Dr. Gelletreau, ihnen mit seinem Wagen zu folgen, und machte sich mit Antoine auf den Weg zum Campingplatz mit dem kleinen Strand davor, von dem die Kanus ablegten, die er an Touristen vermietete. Bruno fuhr durch den schmucken Torbogen mit den Steinlöwen, die zu beiden Seiten Wache hielten, und überquerte den Platz, wo bereits die bunt lackierten Sprungschanzen für den Geschicklichkeitswettbewerb aufgestellt waren. Vier Zelte ließen erkennen, dass die Campingsaison schon begonnen hatte. Bruno stellte den Wagen ab und ging über die offene Terrasse auf das Bootshaus zu, in dem Antoine Kanupaddel und Schwimmwesten aufbewahrte und für seine Gäste gelegentlich Omeletts und Würstchen zubereitete. Kaum hatten sie den Schuppen betreten, reichte Bruno ihm eine Schwimmweste, schnappte sich zwei Stechpaddel und wollte sofort zum Ufer gehen. Antoine aber hatte sich schon hinter seinen Tresen gestellt. Eine gerade angesteckte Gitanes klebte an seiner Unterlippe, und er kratzte sich durch sein dichtes graues Haar den Kopf, während er mit der freien Hand ein Chaos von Papieren – seine Buchführung – beiseitewischte und nach einer Flasche griff, um sich einen Ricard einzuschenken.
»Wir haben noch Zeit«, sagte er. »Zehn, fünfzehn Minuten mindestens, bis der Kahn hier antreibt. Willst du auch einen?« Er zeigte auf den Ricard und öffnete den Kühlschrank, um eine mit Wasser gefüllte Weinflasche herauszuholen. Der Zigarettenrauch ließ ihn blinzeln. Abgesehen von seinem eher dunklen Teint war Antoine dem Äußeren nach nicht gerade die optimale Besetzung als Jesus, aber in Saint-Denis hatte nun einmal niemand einen so sonoren Bass wie er.
»Danke, ist für mich noch ein bisschen zu früh«, antwortete Bruno. »Aber wenn du einen Orangensaft für mich hättest?«
»Bedien dich!«, sagte Antoine, gab einen Schluck Wasser in seinen Ricard und ließ sich den ersten Aperitif an diesem Tag schmecken. Auf dem Fluss brauchte man zum Glück nicht damit zu rechnen, ins Röhrchen pusten zu müssen, dachte Bruno.
»Hast du dieses Tattoo gesehen?«, fragte er.
»Ach, war das ein Tattoo?« Antoine zuckte mit den Schultern. »Es war nicht so richtig zu erkennen. Sah irgendwie geometrisch aus, Dreiecke oder so. Ich hab’s nur flüchtig gesehen, und als dieser Esel das Boot zum Schaukeln brachte, dachte ich zuerst, er wollte es versenken.«
»Ich vermute, er wollte helfen«, entgegnete Bruno. »Irgendwie kam er mir bekannt vor, aber ich kann mich nicht erinnern, wo er mir schon mal über den Weg gelaufen ist.«
»An das Mädchen, das bei ihm war, würde ich mich mit Sicherheit erinnern«, sagte Antoine augenzwinkernd. »Beine bis zu den Schultern. Auch der Wagen war nicht übel.« Er leerte sein Glas und ging voraus zu dem kleinen Strand, an dem mit Paddelbooten voll beladenen Anhänger vorbei. Bei Bedarf stopfte er seine Gäste in seinen verbeulten Renault Espace und schleppte die Boote flussaufwärts nach Les Eyzies, Saint-Léon oder sogar bis nach Montignac, von wo aus die Touristen mit der Strömung zurückpaddeln konnten. Antoine zeigte auf das erste der roten Kanus, die mit dem Boden nach oben vor dem Strand aufgereiht waren. Ein Schlauch und eine Bürste, die danebenlagen, ließen vermuten, dass er sie gerade vom Staub befreit und für die neue Saison in Schuss gebracht hatte.
»Wir nehmen das da!«, sagte er mit Blick auf sein größtes Kanu, in das ein halbes Dutzend Paddler passte. Es bestand aus festem Polyester, dem es nichts ausmachte, wenn der Boden in seichtem Wasser über Steine schrammte. Mit seinen großen Schwimmkammern an Bug und Heck, die auch als Sitze dienten, war es so gut wie unsinkbar.
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