Fenster zum Tod
den Tisch zwischen ihnen und blickte in seinen Schoß. Er wurde sehr still.
»Morris? Alles in Ordnung?«
»Bridget hat noch etwas gesagt.«
»Morris, glaubst du wirklich –«
»Sie hat gesagt, sie verzeiht mir.« Er hob den Kopf und sah Howard an. »Das hat sie gesagt. Sie verzeiht mir.«
»Das ist schön, Morris, aber ich sehe nicht, dass das irgendwie –«
»Weißt du, was mir das bedeutet? Hast du überhaupt eine Vorstellung, mit was für Schuldgefühlen ich rumlaufe?«
»Aber sicher. Darüber haben wir doch oft genug geredet. Und ich habe dir gesagt, es gibt nichts, was du dir vorzuwerfen hast. Du warst nicht der Einzige, der die Zeichen nicht erkannt hat. Niemand von uns hat was bemerkt. Es gibt Menschen, die behalten ihre Sorgen für sich, machen alles mit sich allein aus.«
»Ich kapier’s immer noch nicht. Ich hab sie nämlich gefragt.«
Howard schluckte. »Du hast Bridget gefragt.«
»Ja. Als sie mir erschien, habe ich sie gefragt. Warum?, habe ich sie gefragt. Warum bist du nicht zu mir gekommen? Weißt du, was sie gesagt hat?«
Howard schloss die Augen. Er wusste nicht, wie lange er das noch ertragen würde. »Was hat sie gesagt, Morris?«
»Ich soll mir keine Vorwürfe machen.«
»Na, das ist doch wunderbar. Echt toll.«
Morris warf seinem Freund einen strengen Blick zu. »Mach dich nicht lustig darüber, Howard. Ich finde das unpassend.«
»Es tut mir leid, Morris. Wirklich. Aber wir können unser Vorgehen nicht danach ausrichten, was Bridget dir sagt. Ich hab’s mit der realen Welt zu tun. Mit der Presse, mit Ermittlern vom FBI, mit einem Skandal, der uns noch immer den Arsch kosten könnte.«
Morris schien ihm gar nicht zuzuhören. »Es ist nur… wenn du das, was Bridget jetzt sagt, vergleichst mit dem, was sie dir am Telefon gesagt hat – das hört sich ganz anders an. Dir hat sie gesagt, ich sauge ihr das Mark aus den Knochen. Das hat sie doch zu dir gesagt, oder?«
»Du musst bedenken, in welcher Verfassung sie da war.«
»Was ist, wenn sie in diesem Moment genauso klar gedacht hat wie sonst auch immer?«
»Himmelherrgott, Morris!« Howard explodierte. »Es reicht.«
Morris prallte zurück, als habe ihm jemand einen Stoß versetzt.
»Hör endlich auf, dich selber fertigzumachen. So kann das nicht weitergehen. Du musst nach vorne schauen.«
»Hast du mir überhaupt zugehört, Howard? Genau das habe ich vor. Das ist, was Bridget will. Du bist der, der mich zurückhält.«
»Und dafür solltest du Gott danken«, fuhr Howard ihn an. »Während du Séancen abhältst, kümmere ich mich um politische Realitäten.« Er sprang auf und zeigte mit dem Finger auf Morris. »Und du musst noch warten. Wenn du zu früh wieder auftauchst, weißt du, was diese gottverdammten Meinungsmacher daraus machen? Dass du ziemlich schnell darüber hinweggekommen bist. Das werden sie daraus machen. Sie werden dich als unsensibel hinstellen.«
Morris sah weg. »Zwei Ehefrauen«, sagte er.
»Was?«
»Es ist schon schlimm genug für einen Mann, wenn eine Frau sich umbringt. Aber gleich zwei? Was sagt das aus über ihn? Was sagt das aus über mich? Erst bringt Geraldine sich in der Garage um. Und dann Bridget.« Er sah Howard flehend an. »Was bin ich eigentlich für ein Ungeheuer?«
»Siehst du?«, sagte Howard. »Das beweist doch, dass du noch nicht so weit bist. Du brauchst noch Zeit, um völlig darüber hinwegzukommen. Vertrau mir, Morris. Ich bin dein Freund. Und als dein Freund sage ich dir: Es ist noch nicht so weit.«
Und was für ein Freund, dachte Howard. Ich habe einen Killer losgeschickt, um eine Erpresserin zum Schweigen zu bringen, und stattdessen deine Frau abgemurkst.
Manchmal sprach Bridget auch mit Howard, aber da war sie weit weniger versöhnlich.
Vierzig
E s ist August.
Allison Fitch hat ihre übliche Schicht gearbeitet. Normalerweise schliefe sie um diese Zeit noch, aber heute ist sie früh auf. Sie hat einen Anruf bekommen und muss jetzt etwas erledigen. Sie ist angezogen, bereit, das Haus zu verlassen. Sie muss schnell noch in das Schalgeschäft unten. Letzte Woche war es ihr, entgegen jeder Wahrscheinlichkeit, gelungen, dort zwei Seidenschals im Wert von 123,76 Dollar mit einem Scheck zu bezahlen. »Ich wohne hier im Block, praktisch über dem Laden«, hatte sie gesagt. »Ich bin immer hier.« Sie hatte einen Ausweis vorgelegt. Ihren Führerschein. Ihre Handynummer herausgegeben. Die junge Frau an der Kasse war neu und ließ sich schließlich erweichen.
Der Scheck
Weitere Kostenlose Bücher