Fenster zum Tod
platzte.
Die Geschäftsführerin rief an. Dreimal. Zum letzten Mal vor fünfzehn Minuten. Sagte, sie würde die Polizei rufen und Allison wegen Scheckbetrugs anzeigen, wenn sie in der nächsten Stunde nicht mit 123,76 Dollar in bar im Laden steht.
Zufällig hat Allison gerade über fünfhundert Dollar in ihrer Handtasche. Ein Haufen Börsenmakler von einer bekannten Wall-Street-Agentur hat gestern Abend in der Bar eine Party gefeiert. Sie hatten irgendein Wahnsinnsgeschäft gemacht, das begossen werden musste. Und mit Geld um sich geworfen. Jede Menge Trinkgeld. Diese Vollidioten. Und davor hatte Allison am Geldautomaten zwei Hunderter abgehoben. Mit so viel Bargeld könnte sie am nächsten Tag shoppen gehen, hatte sie überlegt. Gleich nach dem Aufstehen. Ein kleiner Vorgeschmack auf die ganz große Kohle. Es kann nicht mehr lange dauern, bis Howard Talliman sich meldet, um eine Übergabe zu vereinbaren – Geld gegen Schweigen.
Junge, denkt sie. Sein Gesicht, als sie ihm weismachte, sie hätte irgendein höchst geheimes Gespräch zwischen Bridget und ihrem Mann belauscht. Der Typ sah drein, als hätte er eine Ratte in seinem Sandwich entdeckt. Sie war einfach davon ausgegangen, dass ein Mann wie Morris Sawchuck Geheimnisse hatte. Und dass er die vielleicht mit seiner Frau besprach.
Und wenn sie davon was mitbekommen hätte?
Das Beste dabei ist, dass sie überhaupt nichts gehört hat. Doch jetzt ist sie sich noch sicherer, dass sie die hundert Riesen bekommt. So zu tun, als hätte sie ein Gespräch mitgekriegt, war ein Schuss ins Blaue gewesen. Und hatte sich als Volltreffer erwiesen.
Also, was soll’s, denkt Allison. Zahlt sie der blöden Kuh eben die Schals und geht danach wieder ins Bett.
Gerade als sie in die Jacke schlüpft und sich den Riemen der Tasche über die Schulter legt, summt die Sprechanlage.
Allison drückt auf den Knopf. »Ja?«
»Ich bin’s. Wir müssen reden.«
Scheiße. Bridget.
Allison lässt sie herein, und dreißig Sekunden später steht Bridget vor der Wohnungstür.
»Hey«, sagt Allison. Bridget kommt in die Küche, und Allison schließt die Tür hinter ihr.
»Was hast du ihm gesagt?«
»Was?«
»Was hast du Howard gesagt? Was hast du ihm gesagt, das du gehört hast?«
Allison hält eine Hand in die Höhe. »Hör mal, wir haben uns getroffen, wir haben uns geeinigt, alles ist in Butter. Also mach dir keine Sorgen.«
»Was hast du gehört?«
»Darüber werde ich nicht mit dir diskutieren. Und noch was: Wenn hier jemand einen Grund hat, beleidigt zu sein, dann ich. Du hättest mit offenen Karten spielen sollen. Du hättest mir sagen müssen, wer du wirklich bist.«
»Allison, hör mir zu. Du machst einen Fehler, wenn du Howard zu sehr unter Druck setzt.«
»Wir sind bestens miteinander ausgekommen. Kein Grund zur Panik.«
»Egal, was er dir geben wird, du musst versprechen, dass du ihm nicht, niemals, mit irgendwelchen neuen Forderungen kommst. Er wird alles tun, um meinen Mann zu schützen. Wenn du klug bist, dann lässt du überhaupt die Finger davon. Du sagst ihm, dass du kein Geld willst, dass er sich dein Schweigen nicht erkaufen muss, dass du nie ein Sterbenswort über uns verlieren wirst, dass du nichts –«
»Hör mal, das ist alles schön und gut, aber ich muss jetzt weg. Ich muss runter zu der blöden Kuh, die behauptet, ich schulde ihr Geld. In fünf Minuten bin ich wieder da. Bleib hier, mach’s dir bequem. Wenn ich zurückkomme, sehen wir weiter.«
»Du musst mir glauben«, sagt Bridget. »Du hast dich da übernommen.«
»Ist ja gut, wir reden darüber, wenn ich wieder da bin.« Allison schiebt den Handtaschenriemen höher hinauf, tritt hinaus auf den Flur und schließt die Tür hinter sich.
Bridget bleibt noch einen Augenblick in der Küche stehen, dann wird sie unruhig und wandert in der Wohnung umher. Sie betritt den Wohnbereich, wo das Ausziehsofa, auf dem Allison schläft, noch aufgeklappt und mit zerwühlten Laken dasteht. Sie nimmt sich die Cosmopolitan, die auf dem Couchtisch liegt, sieht sich das Titelblatt an, auf dem Ashley Greene und die Schlagzeile »60 Sex-Tipps« prangen, bemerkt, dass es eine monatealte Ausgabe ist, und lässt sie wieder auf den Tisch fallen.
Sie geht ans Wohnzimmerfenster, sieht hinunter auf die Straße, beobachtet den Verkehr. Da unten fährt ein Wagen mit irgendetwas Komischem auf dem Dach. Ein Kleinwagen, ein Civic vielleicht. Das Ding, eine kurze Stange mit irgendeiner mechanischen Apparatur oben drauf, ist
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