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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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was ich sonst noch über die Fitch rauskriege.«
    Ich nickte.
    »Du bist so still«, sagte sie.
    »Ich denke nach über das, was Harry gesagt hat.« Ich erzählte ihr, dass er darüber spekuliert hatte, Thomas könne sich das eine oder andere ausgedacht, das Foto im Netz manipuliert, sein Gespräch mit dem Vermieter erfunden haben.
    »Glaubst du das wirklich?«, fragte Julie.
    Ich zögerte. »Keine Ahnung. Ehrlich gesagt, nein. Ich meine, er bildet sich Dinge ein, von denen wir wissen, dass sie nicht wahr sind, aber er glaubt, dass sie wahr sind. Wie das Verschwinden der Landkarten im Internet und seine Gespräche mit Bill Clinton. Aber es gibt auch Dinge, die definitiv nicht erfunden sind. Was da in Chicago passiert ist, das hast du herausgefunden, und das in Florida auch.«
    »Würde Thomas dich wissentlich belügen?«
    Darüber hatte ich eigentlich noch nie nachgedacht. »Möglich wär’s. Aber als ich gefragt hab, ob er Dad die Treppe hinuntergestoßen hat, da hat er es sofort zugegeben. Er hat allerdings nicht von sich aus darüber gesprochen.«
    »Er hat deinen Dad über die Treppe gestoßen?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte nicht die Energie, das jetzt zu erklären. »Wenn Thomas etwas nicht sagen oder zugeben will, dann hält er einfach den Mund. Er macht dicht.« Ich blieb stehen, sah dem dahinplätschernden Wasser nach. »Obwohl, Dr. Grigorin hat er angelogen. Er hätte sich mit mir einen Film angesehen, hat er gesagt. Wahrscheinlich eine Notlüge, damit sie ihn in Ruhe ließ. Ach, keine Ahnung.«
    »Wirst du mit ihm reden?«
    »Ich werd’s versuchen. Und Harry kennt einen Detective in Promise Falls, das hab ich dir ja schon gesagt. Dem wird er alles erzählen, damit ich mich nicht noch mal mit einem Anruf bei der Polizei lächerlich mache.«
    »Das ist gut«, sagte Julie. »Duckworth ist ein netter Mensch. Er hasst Reporter nicht von Haus aus.«
    »Noch was anderes lässt mir keine Ruhe.«
    »Nämlich?«
    Ich breitete die Arme aus. »Hier ist es passiert. Hier ist mein Vater gestorben.« Ich zeigte auf den Hang. »Da ist der Traktor runter gerollt. Hier ungefähr ist er zum Stehen gekommen. Da hat Thomas Dad gefunden.«
    Sie hängte sich bei mir ein. »Es tut mir so leid.«
    »Ich habe viel an ihn gedacht. An Dad. Und an Thomas. Als ich ihn nach diesem Vorfall auf der Treppe fragte, hat er gesagt, da sei es um etwas gegangen, über das er nicht reden wollte. Etwas, das ihm mit dreizehn passiert ist. Dad hätte sich bei ihm entschuldigen wollen, aber dazugesagt, er verstünde auch, wenn Thomas ihm nicht verzeihen könne.«
    »Und worum es ging, hat er nicht gesagt?«
    »Nein, das wollte er nicht sagen. Aber«, ich stockte, »da ist noch was.«
    Julie sah mich an und wartete.
    »Ich habe bis jetzt mit niemandem darüber gesprochen, aber auf Dads Laptop, da hab ich was Merkwürdiges gefunden.« Ich erzählte ihr, was ich in der Chronik entdeckt hatte.
    »Kinderprostitution?«
    »Ja.«
    »Das ist schon irgendwie sonderbar.«
    »Ja.«
    Julie schüttelte energisch den Kopf. »Ich kannte deinen Dad ja nicht, Ray. Aber warum machst du dir darüber Gedanken? Glaubst du, dein Vater war irgendwie seltsam veranlagt?« Dann wurde ihr bewusst, was sie da womöglich angedeutet hatte. »Mensch, du glaubst doch nicht, dass dein Vater sich an Thomas vergangen hat, als er noch ein Kind war? Glaubst du, dass er das meinte, als er sagte, er könne verstehen, wenn ihm Thomas ihm nicht verzeihen wolle?«
    »Hier einen Zusammenhang zu konstruieren ist schon ziemlich gewagt«, sagte ich, »aber wenn man nichts in der Hand hat, kann einem die Phantasie schon mal durchgehen.«
    »Hat dein Vater mal bei dir, hat er es je –«
    »Nie«, sagte ich. »Nicht ein einziges Mal.«
    »Dann kann es das nicht sein«, sagte Julie mit einer Endgültigkeit, die mich rührte. Sie verteidigte meinen Vater, ohne ihn überhaupt gekannt zu haben. »Was noch?«, fragte sie. »Du hast noch was auf dem Herzen, ich seh’s dir an.«
    »Es ist … ach, nichts.«
    »Sag’s mir. Du schleppst das alles mit dir rum und hast niemanden, mit dem du darüber reden kannst. Also, was ist es?«
    Ich schüttelte den Kopf und blickte zu Boden. »Wie Dad ums Leben gekommen ist, das ist mir irgendwie nicht ganz geheuer.«
    »Wie, nicht ganz geheuer?«
    »Es ist nur … also gut … angeblich ist er mit dem Traktor umgekippt, und der ist auf ihn gefallen. Und so war’s ja wohl auch.«
    »Und wo ist dann das Problem?«
    »Niemand hat den Traktor angerührt.

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