Fenster zum Tod
leid.«
»Schade. Ich habe mich schon darauf gefreut. Aber wenn du krank bist, musst du dich schonen.«
»Danke für dein Verständnis.« Howard zwang sich zu einem kleinen Lachen. »Unsere Pläne, die Weltherrschaft zu übernehmen, werden schon bis morgen überleben.« Das Handy fest ans Ohr gepresst, öffnete er die Fahrertür und stieg ein.
»Na klar«, sagte Morris. »Dann hören wir uns morgen.«
Howard beendete das Gespräch, ließ das Handy auf den lederbezogenen Beifahrersitz fallen und schlug die Wagentür zu. Er startete und fuhr los.
Heather bog gerade in die 81. Straße ein, als Morris, der auf dem Rücksitz saß, seinem Freund sagte, er solle sich schonen, sie würden am nächsten Tag miteinander reden.
»Ist das da vorn nicht Mr. Talliman, Sir?«, sagte sie.
Morris rutschte in die Mitte der Rückbank und spähte zur Windschutzscheibe hinaus. Gerade in diesem Moment parkte Howard aus.
»Ja«, sagte Morris. »Zum Autofahren ist er anscheinend nicht zu krank.«
»Soll ich mich neben ihn stellen?«
Morris musste nur eine Sekunde überlegen. »Nein. Nein, das machen wir nicht.«
»Also nach Hause?«
»Nein«, sagte er. »Schauen wir doch, wo er hinfährt.«
Und das taten sie. Sie folgten Howard bis hinunter in die 4. Straße. Howard stellte den Mercedes am Straßenrand ab und ging zur Eingangstür eines im Dunkeln liegenden Ladens. Links davon gab es eine schmale Seitengasse, in der ein weißer Kastenwagen stand.
»Was ist das hier?«, fragte Morris. Seine Augen waren nicht mehr so scharf wie früher, aber Heather war wie eine Eule in der Nacht.
»Ferber’s Antiques«, sagte sie und fügte hinzu, sie könne Kinderspielzeug ausmachen. Dinge, wie sie heute nicht mehr produziert wurden. Kleine Metallautos, Spielzeugeisenbahnen, etwas, das wie ein Meccano-Kran aussah, kleine aufziehbare Metallmännchen im Boxring.
»Was in aller Welt will er mitten in der Nacht in einem Spielzeugladen?«, fragte Morris. »Der Laden hat doch zu.«
»Ja«, sagte Heather, »aber da ist jemand drin. Hinten ist gerade ein Licht angegangen. Eigentlich nur aufgeflackert.«
Dann sah Morris, dass die Tür geöffnet wurde, gerade weit genug, dass Howard hineinschlüpfen konnte. Gleich darauf flackerte noch einmal ein Licht auf, als ob ein Vorhang zur Seite gezogen würde, dann wurde es wieder dunkel.
»Wir warten«, sagte Morris.
Neunundfünfzig
D er Stadtrat von Promise Falls hatte sich in eine hitzige Debatte darüber verstrickt, ob die Stadt Werbeflächen auf städtischem Grund verkaufen sollte. Ein Vorschlag lautete, dass ein Unternehmen ein kleines Schild erwarb, auf dem zum Beispiel stand: Diese Anlage wird gesponsert von … und dann der Name der Firma. Solche Schilder würden dann auf allen städtischen Grünflächen zu sehen sein. Im Tulpengarten am Südende des Stadtparks, entlang des Mittelstreifens auf der Saratoga Street und auch in dem kleinen Park am Westrand der Innenstadt, wo Hundebesitzer ihre Lieblinge von der Leine lassen durften. Einige Stadträte waren der Meinung, die Schilder würden das Stadtbild verschandeln. Für andere waren sie eine ideale Möglichkeit, Geld in die Stadtkasse zu spülen, ohne die Steuern zu erhöhen. Von irgendwoher kam der Einwurf: »Was machen wir, wenn ein Sexshop eine Grünfläche gegenüber einer Kirche sponsern will? Hat jemand schon mal darüber nachgedacht?«
Julie McGill saß am Pressetisch, machte sich Notizen und hätte ihr Desinteresse nicht deutlicher zur Schau stellen können. Sie fragte sich gerade, ob sie für den Abend mit Ray den richtigen Wein gekauft hatte.
Sie kannte ihn noch nicht lange genug, um sagen zu können, ob er ein Rotwein- oder ein Weißweintrinker war. Vielleicht war er überhaupt kein Weintrinker. Deshalb hatte sie vor dieser Sitzung zwei Flaschen kalifornischen Rotwein sowie je einen kalifornischen und einen französischen Weißwein gekauft. Dazu noch eine Sechserpackung Amstel. Damit war sie für alle Eventualitäten gewappnet.
Das Problem war, sie hatte alles im Auto lassen müssen. Man konnte ja schlecht ins Büro des Bürgermeisters platzen und sagen: Hey, können Sie die mal in den Kühlschrank legen, während ich mir den ganzen Stuss aufschreibe, den Sie und der Rest des Stadtrats in den nächsten zwei Stunden verzapfen werden? Gut, bei dem Roten war’s wahrscheinlich nicht so heikel, den trank man angeblich ohnehin nicht gekühlt, obwohl Julie ihn so lieber mochte. Vielleicht konnten sie ja mit dem Roten anfangen und die
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