Fenster zum Tod
Die Umzugsdecken. Jemand schlug sie auf, schüttelte sie aus. Sie wurden über uns ausgebreitet. Wahrscheinlich für den Fall, dass jemand in den Wagen schaute. Ich hatte nicht erwartet, dass es noch dunkler werden konnte, als es bei Nacht mit der Skimaske verkehrt herum schon war. Ich hatte mich getäuscht. Es wurde pechschwarz, und die Geräusche um mich herum hörte ich nur noch gedämpft.
Die Türen wurden zugeschlagen. Dann wurde die Fahrertür geöffnet und zugeschlagen, danach die Beifahrertür. Ich wusste nicht, wer von beiden fuhr, aber das war schließlich auch egal. Der Zündschlüssel wurde gedreht, der Wagen erwachte rumpelnd zum Leben. Reifen knirschten auf Kies, wir fuhren hinunter zur Straße, weg vom Haus meines Vaters.
Wir werden nie mehr zurückkommen, dachte ich.
Ich hatte viel Zeit zum Nachdenken, in meiner lichtlosen, erstickenden Isolation.
Anfangs, als wir auf die Straße hinausfuhren, hatte ich noch gehofft, ich könnte die Richtung, in die wir fuhren, an den Bewegungen des Wagens erkennen. Hatte ich das nicht mal in einem Film gesehen oder in einem Batman -Comic oder in einer Folge von Sherlock Holmes? Der Held konzentriert sich auf die Drehungen und Wendungen des Fahrzeugs, schätzt die Geschwindigkeit mit Hilfe des Lärms, den die Reifen machen, stellt sich die markanten Punkte entlang der Fahrtstrecke vor, und als der Wagen hält, weiß er ganz genau, wo er ist.
Nach dreimal Abbiegen hatte ich keine Ahnung mehr, wo wir waren.
Schon nach kurzer Zeit hielten wir zum Tanken. Wahrscheinlich da, wo ich seit meiner Rückkehr nach Promise Falls auch schon zweimal getankt hatte. Aber sobald wir wieder auf der Straße waren, verlor ich sofort die Orientierung. Nach einer Weile war ich mir ziemlich sicher, dass wir auf der Interstate waren. Wir fuhren wahrscheinlich so um die hundert, hundertzehn, und zwar konstant, ohne langsamer zu werden oder anzuhalten. Gelegentlich hörte ich das Dröhnen eines Sattelzugs, weshalb ich auf die Interstate tippte. Alle fünf, sechs Sekunden gab es ein dumpfes Tonk!, wenn die Reifen über eine Asphaltfuge fuhren. Dann wieder das Summen der Reifen. Dann Tonk! Summen. Tonk! Hätte ich auf dem Fahrersitz gesessen, wäre mir die ständige Wiederholung vielleicht gar nicht aufgefallen, aber auf dem kalten Metallboden liegend, gab es kaum etwas anderes, dem ich lauschen konnte. Jedes Geräusch und jede Unebenheit wurden verstärkt.
Und immer wieder gab es einen einzigen Gedanken, der alle Geräusche und Grübeleien überlagerte.
Wer zum Teufel hatte Thomas’ Nummer gewählt?
Wer hatte sich als Bill Clinton ausgegeben?
Bestimmt nicht der Bill Clinton.
Einmal war ich dazugekommen, als Thomas eines seiner Selbstgespräche mit dem früheren Präsidenten führte, und da lag der Hörer unberührt in der Schale. Thomas hatte definitiv nicht telefoniert.
Doch wir hatten uns das Klingeln des Telefons nicht eingebildet. Keiner von uns. Ich hatte mir nicht eingebildet, dass Lewis gesagt hatte, der Anrufer habe sich als Bill Clinton ausgegeben. Lewis war mit dem Anruf so umgegangen, wie ich es auch getan hätte, wenn ich keine Ahnung von Thomas’ Phantastereien gehabt hätte.
Allerdings war ich mir nicht mehr sicher, was Phantasie war und was Realität. Ich konnte mir diesen Anruf nicht erklären. Für mich ergab er überhaupt keinen Sinn.
Es konnte nicht Clinton gewesen sein.
Unmöglich.
Aber irgendjemand musste es gewesen sein.
Gerade, als ich an diesem Punkt angelangt war, klingelte ein anderes Telefon. Wir waren ungefähr eine halbe Stunde unterwegs. Zuerst dachte ich, es sei vielleicht mein Handy. Lewis hatte es aus meiner Jacke geholt und in seinen Rucksack gesteckt, aber ich war mir ziemlich sicher, dass er es davor ausgeschaltet hatte. Hätte Julie sein können, die uns im Haus nicht gefunden hatte und wissen wollte, was aus uns geworden sei. Aber es war ein anderer Klingelton. Meiner klang wie ein Klavier, aber der hier klang wie ein altmodisches Telefon. Nach dem zweiten Klingeln hörte ich Lewis den Anruf annehmen: »Ja.«
Ich bemühte mich, alle anderen Geräusche auszublenden, um seinen Teil des Gesprächs verstehen zu können.
»Ja, wir sind auf dem Rückweg … Keine Probleme … Ja, er hat einen Bruder, der hat das Ganze entdeckt … Der ist irgendwie sonderbar, ein Psycho … Keine Ahnung, das musst du ihn schon selbst fragen … Und das Haus war auch komisch, die Wände von oben bis unten voller Landkarten … Nein, nein, von
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