Fenster zum Tod
schon gesagt, dass Vachons Leute sich gemeldet haben?«
»Um Himmels willen.« Carlo Vachon, das berüchtigte Oberhaupt eines Verbrecherclans aus Brooklyn, hatte jede Menge Anklagen am Hals, die Palette reichte von Mord bis zu nicht bezahlten Knöllchen. Für ein New Yorker Magazin hatte ich eine Karikatur von ihm angefertigt, in der ich seine äußeren Merkmale, insbesondere seinen Leibesumfang stark überzeichnet hatte. Ich hatte ihn dargestellt, wie er eine Pistole auf die Freiheitsstatue richtete, die ihrerseits die Hände in die Höhe hob.
Mir brach der Schweiß aus. »Hat er einen Killer auf mich angesetzt?«
»Nein, keine Rede davon. Anscheinend hat ihm die Illustration so gefallen, dass er das Original kaufen will. Diese Gangstertypen stehen einfach gern im Rampenlicht, auch wenn’s ihnen nicht gerade schmeichelt.«
»Hast du das Original?«
»Hab ich.«
»Schick’s ihm. Gratis«, sagte ich.
»Wird gemacht. Aber eigentlich habe ich gar nicht deswegen angerufen.«
»Sondern?«
»Da wird gerade eine neue Online-Zeitung aufgezogen, und es stecken ein paar sehr mächtige Leute dahinter. Die wollen der Huffington Post Konkurrenz machen, aber nicht genau das Gleiche bringen. Ich hab sie gefragt, was sie von einem animierten politischen Cartoon halten, so ähnlich wie die auf der Seite vom New Yorker. Zehn Sekunden lang, aber die Animation selbst ist nur minimal, der Eindruck von Bewegung entsteht durch den Kameraschwenk und –«
»Ich versteh schon, wie das funktionieren soll«, sagte ich. »Hast du meinen Namen erwähnt?«
»Das musste ich gar nicht. Sie sind auf mich zugekommen. Die Frau, die das Ganze aufzieht, heißt Kathleen Ford. Wie die finanziell ausgestattet ist, das kannst du dir nicht vorstellen. Ein Haufen Geld von den Medien. Sie will sich so bald wie möglich mit dir zusammensetzen.«
»Ja gut, aber im Moment –«
Es klopfte an der Haustür. Ein entschlossenes, keinen Widerspruch duldendes Pochen. Ich hatte keinen Wagen kommen hören, aber Jeremy neigte dazu, in einer Lautstärke zu sprechen, als wolle er einen Jumbo-Jet übertönen, auch wenn weit und breit keiner im Anflug war.
»Da ist jemand an der Tür«, sagte ich.
»Ray, das ist eine Riesensache. Du musst dich mit dieser Frau treffen. Da steckt ein Haufen Kohle drin.«
»Ich ruf dich zurück.«
Ich legte das Handy auf den Küchentisch und ging an die Tür.
Sie standen zu zweit auf der Veranda. Eine schwarze Limousine hatte meinen Audi zugeparkt. Vermutlich wollten sie so mögliche Fluchtversuche meinerseits vereiteln. Es waren ein Mann und eine Frau, beide in den Vierzigern, beide grau gekleidet. Beide hatten Hosenanzüge an, nur dass der Mann zu seinem noch eine schmale, seriöse Krawatte trug.
»Mr. Kilbride?«, fragte die Frau.
»Ja?«
»Ich bin Agent Parker, und das ist Agent Driscoll.«
»Häh?«
»FBI«, sagte sie streng.
Dreizehn
B ridget Sawchuck hält es für sicherer, Howard Talliman an einem öffentlichen Ort zu treffen, wenn sie schon gezwungen ist, ihre Lage mit dem engsten Freund und wichtigsten Berater ihres Mannes zu besprechen. Vielleicht widersteht er ja im Beisein von Zeugen der Versuchung, sie auf der Stelle zu erwürgen. Hundertprozentig sicher ist sie sich allerdings nicht, dass sie das vor dem Schlimmsten bewahren wird. Sie lädt ihn zum Mittagessen in das Union Square Café ein und reserviert einen Tisch für dreizehn Uhr.
Talliman war schon Morris Sawchucks bester Freund gewesen, als Gott noch ein Kind war. Sie waren zusammen in Harvard, betranken sich zusammen, arbeiteten zusammen als Rechtsanwälte, machten zusammen Urlaub und wurden auf einer gemeinsamen Japanreise zwei Jahre nach Geraldines Tod wahrscheinlich sogar zusammen vernascht. Ohne selbst je in Erscheinung zu treten, betätigte Howard sich schon sehr früh als Drahtzieher politischer Kampagnen – ob für republikanische oder demokratische Kandidaten, spielte keine Rolle. Was zählte, war der Erfolg. Ein Hockeyspieler soll von den Rangers an die Bruins verhökert werden? Kein Problem, werden eben seine früheren Teamkollegen gnadenlos in den Dreck gezogen. Talliman war in der Lage, für jedermann die passende Strategie zu entwickeln, Hauptsache, der Preis stimmte. Eine eigene Kandidatur hat er nie angestrebt. Er ist klein und schmerbäuchig und behauptet von sich, die erotische Ausstrahlung eines Gartenzwerges zu besitzen, doch er ist ein Meister des politischen Spiels und weiß, wie man anderen zum Sieg verhilft.
»Du
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