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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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vielleicht zu streng mit ihm gewesen, als ich seine Mission anzweifelte?
    »Das stimmt«, sagte ich. »Aber ich will mal sehen, ob ich ihn nicht ein bisschen selbständiger machen kann.«
    Das ging mir schon eine Weile durch den Kopf. Dass Thomas an Dinge glaubte, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmten, bedeutete ja nicht, dass er in dieser Wirklichkeit nicht dennoch seinen Beitrag leisten konnte. Ich wollte, dass er sich sein Essen selbst machte und im Haushalt half. Wenn ich ihm konkrete Aufgaben übertrug, verbrachte er vielleicht nicht mehr ganz so viel Zeit in seinem Zimmer. Und nahm, wenn er schon die Vorgänge draußen in der Welt ignorierte, so doch wenigstens einige häusliche Pflichten wahr.
    »Jetzt wollen wir dich aber nicht länger aufhalten«, sagte Len. »War schön, dich zu sehen.«
    »Ich habe noch immer vor, für euch Jungs zu kochen und es euch vorbeizubringen«, sagte Marie. »Oder wollt ihr lieber mal zum Abendessen zu uns kommen?«
    »Das ist sehr lieb«, sagte ich. »Ich werde mit Thomas darüber reden.« Eher unwahrscheinlich, dachte ich. Obwohl – Abendessen bei Menschen, die er kannte –, einen Versuch wäre es wert. Einen winzigen Schritt aus dem Haus. Eine Fahrt zur Psychiaterin hatten wir ja auch schon ohne größere Zwischenfälle geschafft, wenn man Thomas’ Auseinandersetzungen mit Maria außer Acht ließ.
    »Lernt Thomas noch immer Landkarten auswendig für den Tag, wenn das große Computervirus zuschlägt?«, fragte Len mit dem Anflug eines Lächelns um die Mundwinkel.
    Darauf war ich nicht gefasst gewesen. »Sie wissen davon?«
    »Dein Dad hat’s mir erzählt. Mit irgendjemandem musste er ja darüber reden.«
    Ich nickte langsam. Marie sagte: »Len, fang jetzt nicht damit an. Das geht dich nichts an.«
    »Damals ging’s mich was an«, fauchte er, und Maries Augen wurden schmal. »Adam hat’s mir erzählt.« Zu mir sagte er: »Deinem Dad wurde langsam alles zu viel, weißt du?«
    Jedenfalls hörte ich das von allen Seiten.

    Ich klopfte an Thomas’ Tür, öffnete sie einen Spaltbreit, und steckte den Kopf ins Zimmer. »Bin wieder da.«
    Thomas klickte sich mit seiner Maus durch die Welt und sagte, ohne sich zu mir umzudrehen: »Gut.«
    »Und du machst Abendessen.«
    Jetzt drehte er sich um. »Was?«
    »Ich dachte, ich lasse dich heute das Abendessen machen.«
    »Ich mache nie Abendessen.«
    »Ein Grund mehr, damit anzufangen. Ich habe Tiefkühlsachen. Das ist keine Hexerei.«
    »Warum machst du nicht das Abendessen? Dad hat immer Abendessen gemacht.«
    »Ich hab auch einen Beruf«, sagte ich. »Du hast deinen, und ich hab meinen. Ich muss Leute anrufen und vielleicht muss ich mir ein paar von meinen Sachen holen, aus Burlington –«
    »Vermont.«
    »Genau, aus Burlington, Vermont. Damit ich hier arbeiten kann, während wir überlegen, wie’s weitergehen soll.«
    »Wie’s weitergehen soll«, wiederholte Thomas leise.
    »Genau. Ich werde dir alles zeigen. Wie man den Backofen einstellt und alles. Aber du musst so um fünf runterkommen.«
    Einen Augenblick weidete ich mich an Thomas’ entsetzter Miene. Dann schloss ich die Tür.
    Beinahe wie aufs Stichwort läutete mein Handy. Es war mein Agent, Jeremy Chandler, der seit zehn Jahren Auftragsanfragen für mich bearbeitete.
    »Ich hätte drei Aufträge für dich, aber keine Deckenmalereien für die Sixtinische Kapelle, und vierzig Jahre hast du auch nicht dafür. Zwei Zeitschriften und eine Webseite, Ray, mit Abgabeterminen. Und zwar brandeiligen. Wenn du sie nicht annehmen kannst, dann sag’s mir gleich, damit ich sie an andere Künstler vergeben kann, die zwar nicht annähernd so talentiert sind wie du, aber sie anscheinend deutlich nötiger haben.«
    »Ich hab dir doch gesagt, dass ich im Haus meines Vaters bin.«
    »Ach, Scheiße, das hab ich ganz vergessen. Er ist gestorben, oder?«
    »Genau das hat er getan.«
    »Die Beerdigung und den ganzen Mist, hast du das schon hinter dir?«
    »Ja.«
    »Wann genau wirst du dann wieder in deinem Studio sein?«
    »Ich hab hier noch einiges zu erledigen, Jeremy. Kann sogar sein, dass ich mir hier ein provisorisches Studio einrichten muss.«
    »Gute Idee. Sonst muss ich Tarlington mit diesen Illustrationen beauftragen.«
    »O Gott«, sagte ich. »Der Kerl malt doch mit den Füßen. Sein Obama sieht aus wie Bill Cosby. Bei ihm sehen alle Schwarzen aus wie Bill Cosby.«
    »Hör mal, wenn du die Aufträge nicht annehmen kannst, dann krittel hier auch nicht rum. Hab ich dir

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