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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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Lambton.
    Er kann nach Hause fahren und sich Erleichterung verschaffen – Vera wecken, damit sie sich auf den Rücken dreht –, doch eigentlich steht ihm der Sinn nach etwas anderem. Schließlich gibt es einen Grund zum Feiern. Und wer begnügt sich zum Feiern mit Hausmannskost, die er jeden Tag haben kann?
    Ja, heute ist wahrhaftig ein Tag zum Feiern. Er hat es geschafft. Jedenfalls sieht es verdammt danach aus. Die Abstimmung findet kommenden Sonntag statt, und alles sieht danach aus, dass diese Vollidioten zustimmen werden. Es wird knapp werden, doch am Ende werden sie einen Vertrag absegnen, der ihnen eine Nullrunde bringt und eine Zulagenkürzung, dafür aber keine Arbeitsplatzgarantie. Immerhin haben sie noch ihre Arbeitsplätze, und sie wollen bestimmt nicht, dass die nach Mexiko oder China oder Taiwan oder in eins dieser anderen verfluchten Länder verschwinden.
    Sie wollen auch in Zukunft Komponenten für die Automobilindustrie herstellen – Türverkleidungen und Armaturenbretter und Lenksäuleneinheiten – und sie an GM, Toyota, Honda und Ford liefern, nicht nur hier in den guten alten Staaten, sondern auf der ganzen Welt. Seit Jahren sehen sie nun schon, was in diesem Land los ist, wo die Arbeitsplätze hinwandern. Und wenn diese Arbeitsplätze einmal das Land verlassen haben, werden sie je wieder zurückkommen? Einen Scheiß werden sie.
    Das ist, was Lambton ihnen bei der Präsentation des Angebots der Werksleitung erzählt. Er nennt es »hundserbärmlich«. Er nennt es eine »Affenschande«. Er nennt es einen »Schlag in die Magengrube jedes Mannes und jeder Frau, die sich tagein, tagaus den Arsch für dieses Werk aufreißen«.
    Er sagt es, wie es ist. Er nennt die Dinge beim Namen. Und er nennt es auch »unsere größte Hoffnung, unsere Jobs zu behalten«.
    »Machen wir uns doch nichts vor, Leute. Diese Hurensöhne können den Laden dicht- und in Arschwisch, Südkorea, wieder aufmachen, bevor ihr von der Abendschicht zu Hause seid, euer erstes Bierchen gezischt und die Glotze angemacht habt. Will ich diesen Vertrag? Ich finde diesen Vertrag zum Kotzen. Und trotzdem stehe ich als euer Gewerkschaftsvertreter heute Abend hier und sage euch, dass ich am Sonntag für diesen Wisch stimmen werde. Und wisst ihr, warum? Weil ich Realist bin. Weil ich Mäuler zu stopfen habe, genau wie ihr. Weil ich eine Hypothek abzuzahlen habe, genau wie ihr. Weil ich schulpflichtige Kinder habe, genau wie ihr. Weil es Menschen gibt, die auf mich angewiesen sind, jeden Tag, den Gott werden lässt. Genau wie ihr.«
    Unmutsbekundungen werden laut im Gewerkschaftssaal, doch weniger heftig als Lambton befürchtet hat. Es gab Zeiten, da hätten sie mit Stühlen nach ihm geworfen. Doch das war damals, als noch Pontiacs und Oldsmobiles gebaut wurden. Bevor Hummer und Saturn verscherbelt wurden. Bevor Chrysler beinahe den Bach hinuntergegangen wäre. Heute ist heute. Und heute sind die Karten völlig neu gemischt. Auch wenn die Zeichen sich mehren, dass es wieder aufwärtsgeht, dass die großen Automobilhersteller auch in absehbarer Zeit noch Teile bei diesem speziellen Zulieferer kaufen werden – die Leute sind noch immer nervös. Sie wollen diesen Aufschwung nicht gefährden. Sie wollen ihre Häuser behalten.
    Tief in ihrem Inneren wissen sie, dass Michael Lambton recht hat. Sie hören nicht gerne, was er ihnen zu sagen hat, aber sie kennen ihn als einen, der sich nicht verarschen lässt. Sie wissen, Michael Lambton lässt sie nicht im Regen stehen. Sie wissen, Michael Lambton ist eine ehrliche Haut.
    Einen Scheißdreck wissen sie.
    Schon vor Wochen hat die Werksleitung ihn zu einer kleinen Plauderrunde geholt. Drei Bosse auf der einen Seite eines langen Mahagonitisches, Lambton auf der anderen.
    Sie schieben ihm ein paar Papiere über den Tisch, und der Direktor sagt: »Sie werden Ihren Leuten unser Angebot verkaufen. Sie können es nach Herzenslust schlechtreden. Sie können ihnen erzählen, dass sie was Besseres verdient haben. Sie können ihnen erzählen, die Firma zwingt sie, Scheiße zu fressen, beim Schlucken zu lächeln und zu sagen: ›Kann ich noch etwas haben, Sir?‹ Aber letzten Endes werden Sie ihnen dieses Angebot verkaufen, denn es ist das beste, das sie bei dem gegenwärtigen Klima bekommen werden. Sagen Sie ihnen, wenn es ihnen lieber ist, dass irgendein Juan oder Felipe oder Huang Lang Li diese Teile fertigt, dann sollen sie ruhig für Nein stimmen. Aber wenn sie ihre Jobs behalten wollen, dann stimmen

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