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Fenster zum Tod

Fenster zum Tod

Titel: Fenster zum Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linwood Barclay
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Türgriff, da klingelt sein Handy.
    »Scheiße.«
    Er greift in die Jackentasche, wirft einen Blick auf die Nummer. Niemand, den er kennt. Doch es gibt viele Leute, die Michael Lambton anrufen, manche benutzen auch jedes Mal ein anderes Telefon. Sind kaum zurückzuverfolgen. Er weiß, wie wichtig das sein kann.
    Doch er will jetzt mit niemandem reden. Er muss einer Jungfer in Nöten beistehen. Er steckt das Handy wieder ein.
    Kein anderer Wagen ist auf diesem Straßenabschnitt unterwegs, weder in die eine noch in die andere Richtung. Nicht viel Verkehr hier draußen, denkt Lambton. Wenn hier jemandem etwas zustieß, kein Mensch würde es mitkriegen.
    Nicht mal dran denken, sagt er sich. Und dann: Gut, aber nur eine Minute.
    Er zieht sich die lange Jacke vor der Brust zusammen und knöpft sie zu. Nicht nur, um sich vor dem Regen zu schützen. Er will die Kleine nicht gleich vom Start weg mit der frontalen Ausbeulung in seiner Hose vergraulen.
    »Panne?«, ruft er.
    Was ihm vorschwebt, ist Folgendes: Er hilft ihr, den Reifen zu wechseln, lädt sie danach auf einen Kaffee ein. Inzwischen ist er völlig durchnässt. Er tut ihr leid, sie ist ihm was schuldig. Es wird ihr schwerfallen, ihm einen Korb zu geben. Vielleicht lädt sie ihn sogar zu sich nach Hause ein. Zum Trocknen.
    Die Frau späht hinter ihrem Wagen hervor.
    »Mensch, vielen Dank, dass Sie angehalten haben!«, sagt sie. »Ich muss über einen Nagel oder so was gefahren sein!«
    »Haben Sie schon den Pannendienst angerufen?«, fragt er in der Hoffnung, dass sie verneint. Was er jetzt nicht braucht, ist ein Pannenhelfer, der ihm die Tour vermasselt.
    »Ich könnte mich wirklich ohrfeigen. Ständig hab ich diese Werbung in der Post, dass ich Mitglied werden soll. Und ich schmeiß das Zeug immer weg. Echt bescheuert, was?«
    Er steht jetzt hinter dem Wagen und kann sie sich richtig ansehen. Eins fünfundsiebzig, sechzig vielleicht fünfundsechzig Kilo, hohe Wangenknochen. Kleine Möpse, aber man kann schließlich nicht alles haben. Sieht irgendwie europäisch aus. Lange Beine. Ihre enganliegenden Jeans stecken in den Stiefeln. Lederhandschuhe. Hat was Athletisches. Wie sie sich bewegt.
    »Sie sollten wirklich Mitglied werden«, sagt er und sorgt sich gleich darauf, sie könnte ihn auffordern, anzurufen und seine eigene Mitgliedsnummer anzugeben. Er ist keinen Meter mehr von ihr entfernt. Will ihr nicht zu nahe kommen, sie nicht erschrecken. Sie ist auf der Hut. Nach dem Motto: Ich bin ja froh, dass du angehalten hast, aber bitte bleib mir vom Leib!
    »Da hab ich ja wirklich Glück gehabt, dass Sie angehalten haben«, sagt sie.
    »Wie heißen Sie denn?«
    »Nicole.«
    »Ich heiße Frank«, sagt er. Warum seinen richtigen Namen nennen. Das hier ist bestimmt nicht der Anfang einer langen Beziehung.
    »Wollen Sie sich in meinen Wagen setzen, während ich das hier erledige?«
    »Schon in Ordnung«, sagt Nicole.
    Sein Handy klingelt wieder, doch er ignoriert es erneut.
    »Kann ich irgendetwas tun?«, fragt Nicole. »Die Taschenlampe halten oder so?«
    »Haben Sie eine? Ich hab eine im Handschuhfach.«
    Sie holt ihr Handy aus der Innentasche ihrer Jacke. Michael findet das interessant, denn Frauen haben ihre Handys meistens in der Handtasche. »Ich hab da diese App, damit kann man das Handy als Taschenlampe benutzen.«
    »Das wird doch ganz nass«, sagt er. Er hat den Reifen jetzt gepackt und hievt ihn über die Stoßstange, bereit, ihn gleich auf den Boden fallen zu lassen.
    »Welcher Reifen ist denn überhaupt platt?« In diesem Moment wird ihm klar, was ihm bis jetzt nicht aufgefallen ist. Der Wagen hat weder Schlagseite, noch hängt eine der Ecken tiefer als die anderen.
    »Der vordere auf der Beifahrerseite«, sagt Nicole.
    Er späht um die Ecke nach vorne. Nicole bückt sich, als wolle sie einen ihrer extrahohen Stiefel hochziehen.
    »Nicole, der Reifen schaut mir nicht –«
    Blitzschnell und geräuschlos bohrt sich der Eispick in seine Seite. Ein Gefühl von Hitze direkt oberhalb der rechten Hüfte. In der Sekunde, die er braucht, um den Schmerz wahrzunehmen, hat Nicole den Eispick bereits wieder herausgezogen und ihm das glänzende rote Ding ein weiteres Mal in den Leib gestoßen, diesmal weiter oben, zwischen den Rippen.
    Noch einmal zieht sie es heraus, noch einmal sticht sie zu.
    Mit aller Kraft.
    Michael Lambton ächzt und fällt auf den nassen Kies. Er will etwas sagen, doch das Einzige, was zwischen seinen Lippen hervorkommt, ist Blut.
    Nicole kniet sich

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