Fenster zum Tod
sie diesem Vertrag zu.«
Seelenruhig schiebt Michael Lambton seinen Stuhl zurück, steht auf, öffnet den Reißverschluss seiner Jeans und lässt eine Urinfontäne auf die Platte des Mahagonitisches sprudeln, bis der Vertrag völlig durchweicht ist.
Die Arbeitgeberseite rückt ihre Stühle ein wenig zurück, als die Lache sich ausbreitet.
Lambton stopft seinen Penis zurück in die Hose, zieht den Reißverschluss hoch und sagt: »Das ist meine Meinung zu diesem Angebot. Die Wirtschaft kommt wieder in Fahrt. GM hat ein gutes Jahr. Chrysler genauso. Die Rettungsmaßnahmen haben gegriffen. Ihr macht Gewinne und könnt es euch leisten, meinen Leuten auch in Zukunft anständige Löhne zu zahlen. Kürzungen könnt ihr euch abschminken.« Er lächelt. »War’s das?«
Der Direktor wendet sich an den neben ihm Sitzenden. »Holen Sie Papierhandtücher und wischen Sie das auf.«
Der Mann kann kaum fassen, was ihm da zugemutet wird, doch er gehorcht. Als die Schweinerei vom Tisch ist, stellt der Direktor eine Ledertasche darauf.
»Eine halbe Million«, sagt er. »Sie können nachzählen, wenn Sie wollen. Sie müssen nur dafür sorgen, dass Ihre Leute für den Vertrag stimmen.«
Lambton überdenkt einen Augenblick seine Verhandlungstaktik. »Das ändert natürlich einiges.«
Es wäre nicht das erste Mal, dass er sich seine schmutzigen Hände vergolden lässt. Michael Lambton ist ein Pragmatiker.
»Eine Hälfte jetzt, die andere nach der Abstimmung, vorausgesetzt, sie zeitigt das gewünschte Ergebnis«, sagt der Direktor.
Jetzt, nach der Gewerkschaftsversammlung, ist er sich sicher, dass er auch die zweite Viertelmillion bekommt. Nur noch ein paar Tage, dann werden die letzten Mitglieder ihre Stimmzettel abgeben. Michael Lambton ist schon lange im Geschäft und hat schon viele Reden gehalten. Und er hat ein Gespür für Stimmungen. Die Abstimmungen, die er bisher erlebt hat, gingen immer so aus, wie er es erwartet hatte.
Sie werden das Angebot annehmen. Sie werden sich die Nase zuhalten, aber sie werden es annehmen.
Jetzt, auf der Heimfahrt von der Versammlung, in seinem luxuriösen Geländewagen mit dem elektrisch verstellbaren, beheizbaren, üppig gepolsterten Fahrersitz, wird bei dem Gedanken an das Geld, das auf ihn wartet, aus seinem träumenden kleinen Prinzen ein strammer Riese.
Einen Augenblick denkt er daran, eine Bar anzufahren und dort sein Glück zu versuchen. Doch da wäre er völlig dem Zufall ausgeliefert, und es könnte darauf hinauslaufen, dass er dafür bezahlen musste. Nicht, dass er es sich nicht leisten könnte, doch er hält das für unter seiner Würde. Schließlich sah er nicht schlecht aus. Vielleicht ein bisschen füllig um die Leibesmitte, aber auch Tony Soprano war gut gepolstert, und der kriegte auch jede rum, wenn ihm danach war.
Er fährt auf der Schnellstraße dahin. Alle zehn Sekunden schalten sich die Wischer ein, um die Tropfen des leichten Nieselregens von der Windschutzscheibe zu entfernen. Da sieht er etwa hundert Meter vor sich einen Wagen am Straßenrand stehen.
Irgendein Japaner mit offener Heckklappe. Nach Lambtons Lesart sind nicht zuletzt die Japsen schuld, dass er das Geld genommen, seine Prinzipien verraten hat. Schließlich waren sie es, die der nordamerikanischen Automobilindustrie beinahe den Garaus gemacht hätten. Und die Deutschen. Zwei ehemalige Feinde, die endlich Gelegenheit hatten, sich zu rächen. Wenn Lambton jetzt das Geld genommen hat, damit seine Leute ihre Arbeit behalten können, dann waren es die Japsen und die Krauts, die ihn dazu gezwungen hatten. Wenn man es nämlich recht bedachte –
Hoppla, was ist das denn?
So eine Püppi, die sich damit abplagt, einen Reservereifen aus dem Kofferraum zu hieven. Er sieht sie nur von hinten, doch was er sieht, gefällt ihm. Schulterlanges blondes Haar, schwarze Jacke, Jeans, Lederstiefel bis über die Knie hinauf. Schlank. Könnte für Lambtons Geschmack ein bisschen mehr Fleisch auf den Knochen haben, aber nicht übel.
Sie hat die Abdeckplatte im Kofferraum hochgeklappt und den Reifen schon halb draußen.
Er nimmt den Fuß vom Gas, begutachtet sie im Vorüberfahren durch das beschlagene Beifahrerfenster. Sie schaut zu ihm herüber, und er sieht, dass sie wahrscheinlich Ende dreißig ist. Hübsches Gesicht.
Stehen bleiben und helfen oder nicht?
Er muss nicht lange nachdenken. Er fährt direkt vor ihrem Wagen an den Straßenrand, schaltet den Motor aus und zieht den Schlüssel ab. Er hat die Hand schon am
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