Ferdinand Graf Zeppelin
an alles passen – lieber lasse ich ein paar Wochen mehr ins Land gehen, bevor ich ein zusätzliches Risiko eingehe.«
Sämtliche Funktionen wurden also nicht nur einmal, sondern zwei- und dreimal überprüft. Nur ja nichts übersehen. Die kleinste Kleinigkeit könnte sich zur Katastrophe auswachsen. So dauerte es schließlich bis zum 30. November 1905, als Zeppelin endlich die Anweisung zum probeweisen Herausziehen ihres neuen Luftschiffs aus der Halle erteilen konnte.
Unmittelbar nachdem sie das Schiff behutsam auf die freie Seefläche bugsiert hatten, signalisierten ihm sämtliche Monteure mit dem vorher verabredeten Handzeichen: »Alle Funktionen in Ordnung!« Kein Bauteil war beschädigt worden. Es konnte beginnen! Zeppelin nickte kurz, dann erteilte er den Befehl zum Starten der beiden Motoren. Nur wenige Sekunden später schien es ihm, als müsse sein Herzschlag aussetzen! Der vordere Motor versagte plötzlich seinen Dienst – und das ausgerechnet jetzt, wo der hintere Motor gerade eben auf volle Touren kam und die beiden Luftschrauben links und rechts kraftvoll in Bewegung setzte! So kam es, wie es kommen musste: nur das Heck des Luftschiffs stieg in die Höhe, während der Bug wie von einer Riesenfaust ins Wasser gedrückt wurde. Ein Anblick, der ihnen allen das Blut in den Adern gefrieren ließ – zumal durch den enormen Druck jetzt die Teile der vorderen Steuerung wie Streichhölzer zerbrachen. »Sofort den hinteren Motor stoppen! Auf der Stelle!« brüllte Zeppelin mit sich überschlagender Stimme in den Motorenlärm hinein. »Motor Stopp! Sofort!« Dadurch stabilisierte sich das Luftschiff zwar einigermaßen, doch nun kam dieser elende Wind dazu, der das steuerungs- und antriebslose Schiff mit beinahe 5 Metersekunden über den Bodensee wehte! Beinahe bis an das Schweizer Ufer trudelte der riesige Schiffskörper: nicht auszudenken, was passieren würde, wenn dort womöglich eine der Gaszellen leckschlug und die 11.000 Kubikmeter Wasserstoffgas explodierten! Im Nachhinein durften sie es als eine gütige Fügung des Schicksals betrachten, dass das Schiff kurz vor dem Ufer sanft auf die Wasserfläche herunter sank, wo es der Bootsbesatzung der »Württemberg« gelang, eine Haltetrosse einzufangen und das erstaunlicherweise kaum beschädigte Luftschiff langsam zurück zur Schwimmhalle in die Manzeller Bucht zu schleppen. Was für ein Tag! Mit knappster Not waren sie an einer Katastrophe vorbei geschrammt. Zitternd faltete Ferdinand von Zeppelin die Hände und sandte ein Dankgebet zum Himmel. Es dauerte viele Stunden, bis sich der Graf nach einer schlaflosen Nacht wenigstens einigermaßen im Besitz seiner Kräfte wähnte. Sie hatten – anders konnte man es nicht ausdrücken – buchstäblich in den Schlund der Hölle geschaut. Und waren gerade noch einmal davon gekommen!
Die Kommentare der Zeitungsreporter mochte er sich gar nicht erst zu Gemüte führen. Doch es half nichts: auch dieser Prüfung musste man sich stellen, denn es war natürlich wichtig, zu wissen, wie die Berichterstatter jene dramatischen Ereignisse beurteilten – und welchen Eindruck die Zeitungen ihren Lesern vermittelten. Noch war ja nichts verloren: das Luftschiff lag schließlich so gut wie unversehrt und fest vertäut wieder in der Halle. Noch gab es keinen Grund zum Zweifel, dass beim ersten richtigen Aufstieg alles gut gehen und man der Öffentlichkeit eine beeindruckende Vorstellung bieten würde. Das sahen auch die Reporter so. Noch war die Zukunft nicht verloren!
Wäre da nicht wieder dieser Dr. Eckener gewesen, der – wie nicht anders zu erwarten – in der »Frankfurter Zeitung« einen besonders hämischen Artikel platzierte. Das Malheur vom 30. November 1905 stellte für den spitzfindigen Schreiber natürlich ein gefundenes Fressen dar. Und so triefte das Fazit des Hugo Eckener förmlich vor Spott über das Luftschiff und seinen Erbauer: »Hoffentlich wird der sympathische alte Herr, der trotz seiner 67 Jahre mit jugendlichem Elan sein Ziel verfolgt, bei einem unter glücklicherem Sterne unternommenen zweiten Versuch erfreulichere Erfolge sehen. Einstweilen freilich müssen die Herren, welche aus den Kriegsministerien, Luftschifferabteilungen usw. zum Ereignis herbeizitiert waren, unverrichteter Sache wieder abziehen bis nach beendeter Reparierung des Schadens. Und auch das liebe Publikum kam nicht auf seine Kosten. Da die ganze Sache in aller Stille betrieben und »geheim« gehalten war, so dass man sozusagen nur im
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