Ferdinand Graf Zeppelin
immer leichter, weil die Benzinvorräte deutlich abgenommen haben.«
»Wir lassen es, wie es ist«, entschied Zeppelin. »Da schauen Sie nur: die Sonne geht auf! Was für ein einmaliges Schauspiel!« deutete er mit dem weit ausgestreckten rechten Arm nach Osten, wo sich in diesem Augenblick der glühend rote Feuerball langsam über den Horizont schob. »Und direkt unter uns kreuzen sich gerade zwei Nachtschnellzüge. Das muss Ludwigsburg sein.« Es war ein einmaliges Erlebnis: unter ihnen herrschte noch dunkle Nacht: nur am weißen Dampf, der aus ihren Schornsteinen in den Himmel stieg, hatten sie die Lokomotiven erkennen können, die wie Perlen an einer Schnur, die schwach beleuchteten Personenwagen hinter sich her zogen. Und ganz hinten, dort wo sich der Schwäbische Wald befand, begann gerade der neue Tag. Und was für ein Tag! Keiner von ihnen sollte diesen 5. August des Jahres 1908 jemals in seinem Leben mehr vergessen!
»Wir halten Kurs auf Stuttgart«, gab Zeppelin dem Kapitän die entsprechende Anweisung und wandte sich nun an seinen Oberingenieur. »Hoffentlich sind die Daimlerleute dann auch gleich bereit, wenn wir landen und schaffen es, den Motor an Ort und Stelle zu reparieren.«
»Das hoffe ich auch«, brummelte Dürr. »Es ist schon seltsam, dass es immer und immer wieder die Motoren sind, die uns diese Probleme bereiten.« Er seufzte vernehmlich. »Wenn doch nur der Herr Maybach noch in der DMG wäre, dann wäre uns dieses Malheur ganz sicher erspart geblieben. Wie kann eine Firma nur ihren besten Mann einfach gehen lassen?«
»Schlichtweg, weil sie ihm die Freude an der Arbeit genommen und ihm Steine in den Weg gelegt haben, wo es nur ging«, erläuterte ihm Zeppelin. »ich habe mich in den vergangenen Monaten mehrfach ausführlich mit dem Wilhelm Maybach unterhalten und weiß, dass es ihm beinahe das Herz gebrochen hat, die Firma, die er seit ihrer Gründung durch Gottlieb Daimler maßgeblich vorangebracht hat, verlassen zu müssen.«
»Das werde ich nie verstehen«, runzelte Dürr die Stirn.
»Es ist – leider – ganz schnell erzählt und es handelt sich um genau dieselbe leidige Frage, mit der sich auch schon der Herr Daimler konfrontiert gesehen hat: Die Kaufleute haben wieder einmal die Oberhand bei der DMG gewonnen. Seitdem heißt es: weniger Qualität zu einem höheren Preis. Damit haben sie dem Herrn Maybach die Freude an seiner Arbeit vergällt und ihn regelrecht aus der Firma getrieben.«
»Wie kann man so etwas nur machen? Es ist doch schon einmal schief gegangen, kurz vor der Jahrhundertwende. Wo sie dann ja beinahe auf Knien daher gerutscht gekommen sind, um den Herrn Daimler und den Herrn Maybach wieder zurück zu holen. Damals hätten sie doch begreifen müssen, wie fatal es ist, mit schlechten Produkten das schnelle Geld verdienen zu wollen – langfristig ist das genau der falsche Weg. Die Kunden werden den Herrschaften gehörig den Marsch blasen …«
»Die Herrschaften haben ihr Schäfchen dann aber längst im Trockenen – was danach mit der Firma passiert, das interessiert die Geschäftemacher doch nicht mehr, wenn sie einmal ihren Reibach gemacht haben …«
»… aber die Menschen, die dort arbeiten!«
»Die Menschen!« lachte Zeppelin trocken auf, »Was kümmern denn solche Krämerseelen die Menschen?! Wie gesagt, selbst vor dem Wilhelm Maybach sind sie ja nicht zurück geschreckt!«
»Ausgerechnet jenem Mann, der zusammen mit dem Herrn Daimler die Automobile erfunden hat, mit denen sie ihr Geld scheffeln. Aber Sie haben wieder einmal recht, Exzellenz. Das scheint mir im Übrigen auch der Grund dafür zu sein, weshalb sich auch der Emil Jellinek-Mercedes von der DMG gelöst hat.«
Der Graf rollte mit den Augen. »Ja, der Herr Jellinek-Mercedes. Ich hätte ihn so gerne als Investor für die Luftschiffe gehabt, aber er wollte leider nicht. Luft hat bekanntlich keine Balken, hat er damals zu mir gesagt. Er bevorzuge es deshalb, lieber auf dem Boden zu bleiben.«
»Und dennoch ist er indirekt mit dabei, denn immerhin werden wir ja von Mercedes-Motoren angetrieben.«
»Mit all ihren Mängeln. Deswegen hat auch er der DMG den Rücken gekehrt. Ein Jellinek-Mercedes verlangt grundsätzlich die allerbeste Qualität …«
»Ganz im Sinne von Daimler und Maybach.«
»Eben. Ich habe bei unserem letzten Gespräch mit Maybach vereinbart, dass wir gleich nach unserer Rückkehr von dieser Fahrt wieder Kontakt aufnehmen. Er hat mich nämlich darauf aufmerksam gemacht, dass er
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