Ferdinand Graf Zeppelin
seinen Oberingenieur mit fester Stimme an. »Kurs Nordnordwest, Lau. Wir behalten unseren ursprünglichen Plan bei und steuern direkt auf Mainz zu, dem vorgesehenen Wendepunkt!«
»Zu Befehl, Exzellenz!«
Auch in Mainz, wo man schon seit dem frühen Nachmittag mit wachsender Nervosität auf das Erscheinen des Luftschiffs wartete, hatte sich die Meldung vom erfolgreichen Wiederaufstieg von »LZ 4« wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Niemand mochte zu Bett gehen, ohne nicht vorher Zeuge dieses epochalen Ereignisses geworden zu sein, ganz egal, wie früh man sich am kommenden Morgen auch aus den Federn reißen lassen musste.
Genau eine halbe Stunde nach Zeppelins Wiederaufstieg bei Kornsand konnten die Menschen auf der Eisenbahnbrücke weit droben am Nachthimmel die Lampen der beiden Gondeln erspähen, die sich in ruhiger Fahrt auf sie zu bewegten. Auch in Mainz kannte der Jubel nun keine Grenzen mehr: zu Ehren des Grafen Zeppelin und seines Luftschiffs war die gesamte Stadt sogar festlich illuminiert worden. In der altehrwürdigen Bischofsstadt war man sich der stolzen Tatsache wohl bewusst, dass Mainz vom Grafen als offizielle Wendemarke der jetzt schon historisch zu nennenden Dauerfahrt auserkoren worden war: wieder einmal wurde also in Mainz ein Stück Geschichte geschrieben – mit Fug und Recht durfte man sagen, dass sie alle in dieser Nacht Zeugen eines neuen Kapitels in der Luftfahrtgeschichte geworden waren. Wie nicht anders zu erwarten, zeigte Ferdinand von Zeppelin wieder einmal sein ganz besonderes Gespür für solche Momente. »Wir werden nicht einfach wenden, sondern einen ganzen Kreis beschreiben, um uns damit bei den Mainzern für ihren überwältigenden Empfang zu bedanken. Dann erst werden wir die Rückfahrt antreten.«
Es bedurfte keiner weiteren Erklärung: aus vollem Herzen genossen die Männer in den beiden Gondeln die geradezu magische Atmosphäre in 300 Metern Höhe über der im Schein unzähliger Lichter glitzernden Domstadt. Selbst die am Tag so düster wirkende Festung erstrahlte in einem märchenhaften Glanz! Und dazu dieser gewaltige Chor von mehreren tausend Menschen, die aus voller Kehle das Deutschlandlied schmetterten, das sich hier oben in einer unbeschreiblichen Art und Weise mit dem Lärm der Motoren vermengte. Was für ein einmaliges Erlebnis! Nie im Leben würden sie auch nur eine Minute dieser denkwürdigen Luftfahrt vergessen!
Um 23 Uhr 31 befanden sie sich wieder über ihrem Aufstiegspunkt zwischen Oppenheim und Nierstein – und wurden hier von einem heftigen Regenschauer empfangen. Fünf Minuten lang goss es wie aus Kübeln, dann war auch diese Prüfung glücklich überstanden. »Als wenn es so sein müsste, ausgerechnet immer hier, an diesem eigenartigen Ort muss etwas passieren!«, knurrte der Graf, während er sich die Regentropfen aus dem Gesicht und von der Kleidung wischte. »Wir halten jetzt Kurs direkt auf Worms, dann weiter nach Mannheim«, erteilte er die nächste Kursanweisung. »Und nachdem ja auch dieses Abenteuer problemlos überstanden ist, werde ich mich in die Kabine zurückziehen und versuchen, wenigstens ein bisschen auszuruhen. Ich habe nämlich in der vergangenen Nacht kein Auge zugemacht.« Seine Männer warfen sich erstaunte Blicke zu: so eine Aussage hatten sie vom Grafen noch nie gehört. Dass er damit offen bekannte, vor dem entscheidenden Aufstieg also auch eine gewisse Nervosität verspürt zu haben. So etwas war bisher noch nie vorgekommen. Ein umso deutlicheres Anzeichen über die Erleichterung, dass die Fahrt allem Anschein nach erfolgreich verlaufen würde!
Der Gedanke war noch nicht einmal richtig zu Ende gedacht, da geschah es: aus dem Bereich des vorderen Motors war ein metallisches Klacken zu hören. Schlagartig veränderte sich das Motorengeräusch! »Motor Stopp!« brüllte Dürr aus Leibeskräften, während der wachsame Laburda bereits den Hebel betätigte. »Was ist denn passiert?«
»Hmm«, strich sich der Monteur nachdenklich mit der Handfläche über das Gesicht und zuckte mit den Achseln, während er seinen Kollegen Schwarz beobachtete, der sich bereits an dem Motor zu schaffen machte.
»Das kann eigentlich keine große Sache sein, würde ich sagen. Zumindest vom Geräusch her dürfte es sich um nichts Gravierendes handeln …«
»Ihr Wort in Gottes Ohr«, knurrte Lau. »Sie meinen also, Sie können das Problem an Ort und Stelle beheben? Denn eine Landung mitten in der Nacht, dazu über weitgehend unbekanntem Gelände
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