Ferdinand Graf Zeppelin
gemacht haben. Ein zwölfjähriger Schüler weiß stolz von einem ganz besonderen Erlebnis zu berichten: er hat nämlich nicht nur eines der Haltetaue in die Hände bekommen, sondern er durfte auch die Gondel inspizieren, in der ein Monteur gerade in aller Seelenruhe ein paar Saitenwürstchen heiß gemacht hat. »Und das Tollste daran war, dass er mir und meinem Bruder auch ein Würstle abgegeben hat. Das war das beste Saitenwürstle in meinem ganzen Leben!« verkündete der Bub voller Stolz über dieses wahrhaft einmalige Erlebnis.
Tatsächlich waren die Luftschiffer mit einer bewundernswerten Ruhe an ihre weitere Arbeit gegangen. Zunächst hatte man das Schiff sorgfältig inspiziert und alle seine Funktionen genauestens überprüft, darauf waren dann bereits die Daimlerleute aus Untertürkheim mitsamt den Ersatzteilen für den defekten Motor erschienen. »Das bekommen wir hin, Exzellenz«, konnte Laburda bald darauf dem Grafen vermelden. »Wir dürften in gut vier Stunden wieder bereit zum Aufstieg sein.«
»Schön«, nickte Zeppelin. »Wir warten dann allerdings noch, bis der Hilfszug aus Friedrichshafen in Vaihingen mit den Gasflaschen ankommt. Ich habe bereits veranlasst, dass die Gasflaschen dann sofort mit Pferdefuhrwerken hierher geschafft werden. Vorher steigen wir nicht auf. Ich möchte auf alle Fälle gewährleistet haben, dass die Gaszellen vor der Weiterfahrt einigermaßen gut gefüllt sind. Sicherheitshalber. Die Nachbefüllung müsste bis zum späteren Nachmittag zu leisten sein. So – und nun würde ich mich gerne ein bisschen ausruhen.«
Damit zog sich Zeppelin in die Gondel zurück. Doch an eine Ruhepause war nicht zu denken. Schon bei der geringsten Bewegung in den Gondeln brach die Masse jedes Mal neuerlich in Jubel aus und ließ ihren Helden, den Grafen Zeppelin tausendfach hochleben. »Sobald die Menschen draußen nur seine weiße Schnurrbartspitze erblicken konnten, ging das Hoch- und Hurra-Rufen weiter. Schließlich legte sich der alte Herr der Länge nach auf den Boden und schloss kurz die Augen«, berichtete die »Württemberger Zeitung«. Doch auch hier fand er keine Ruhe – die Menschen setzten ihre Hurrarufe einfach fort!
Mit einem verständnisvollen Lächeln auf den Lippen erhob Zeppelin sich kurz darauf wieder – begleitet von weiteren Jubelchören der Zaungäste. »Das wird nichts mit dem Schlafen hier. Ich werde das Angebot des Schultheißen annehmen und mich in den Gasthof »Zum Hirsch« nach Echterdingen fahren lassen, um vielleicht dort ein wenig die Augen zumachen zu können. Dort befindet sich auch die örtliche Poststation, von der aus ich dann verschiedene Depeschen losschicken kann.« Er musterte seinen Oberingenieur genau. »Kann ich Sie ein paar Stunden alleine lassen?«
»Das können Sie natürlich, Exzellenz«, nickte Dürr. »Es läuft alles planmäßig. Außerdem habe ich als weiteren Ingenieur ja noch Ihren Neffen an Bord. »
»Aber auch Sie haben jetzt schon seit mindestens 30 Stunden kein Auge zugemacht.«
»Das macht nichts, Exzellenz«, erklärte der junge Mann postwendend und rieb sich die vor Übermüdung deutlich geschwollenen Lider. »Den Schlaf kann ich ein anderes Mal nachholen. Jetzt hält mich schon allein die Vorfreude auf das glückliche Ende unserer Dauerfahrt wach. Sie brauchen sich wirklich keine Sorgen um mich zu machen, Exzellenz.«
»Nun gut«, nickte Zeppelin dankbar. »Ich denke, gegen 17 Uhr könnte der Wiederaufstieg stattfinden. Sofern das Wetter stabil bleibt.«
»Je früher wir aufsteigen, desto lieber wäre es mir«, mischte sich Bassus in die Unterredung. »Ich traue dem Wetterfrieden nicht so recht. Dermaßen schwül, wie es heute ist, könnte es noch ein Gewitter geben.«
»Bis dahin sind wir aber längst wieder in der Luft«, konterte Bernhard Lau. »Sie können wirklich beruhigt nach Echterdingen fahren, Exzellenz. Und wenn Sie wiederkommen, wird alles für den Aufstieg zur letzten Etappe bereit sein.«
Um 12 Uhr 30 verließ Ferdinand von Zeppelin die Gondel und bestieg ein bereit stehendes Automobil, das ihn durch eine wahre Woge von Jubelrufen nach Echterdingen brachte. Hüte und Mützen flogen durch die Luft, Taschentücher wurden geschwenkt.
Aus der erhofften Ruhe im Echterdinger »Hirsch« sollte freilich nichts werden, denn gleich nach seiner Ankunft versammelte sich eine große Menschenmenge vor dem Gasthaus, die lautstark das Erscheinen ihres Volkshelden einforderte. Es war nichts zu machen! Und kaum präsentierte
Weitere Kostenlose Bücher