Ferdinand Graf Zeppelin
sich Zeppelin ihnen an einem der Fenster im ersten Stock, da brach schon wieder ein nicht enden wollender Jubelsturm los. Zeppelin schluckte trocken. Was für eine unfassbare Begeisterung! »Ich danke Ihnen allen von ganzem Herzen für den überwältigenden Empfang, den Sie mir hier in Echterdingen bereitet haben«, wandte er sich gerührt an die jetzt andächtig lauschenden Leute. »Es erfüllt mich mit Stolz, durch diese einmalige Fahrt bewiesen zu haben, dass wir mit dem Luftschiff imstande sind, ohne Gefahr für Leib und Leben überall zu landen – auch auf ebener Erde. Wenn an der Maschinerie etwas vorkommt, so ist das ja wohl begreiflich. Aus gutem Grund habe ich deswegen von vornherein als notwendig erachtet, ein System mit zwei völlig voneinander unabhängigen Antriebsmaschinen zu schaffen, so dass wir beim Versagen einer Maschine in der Weiterfahrt nicht behindert sind. Zwar ist von mir die Durchführung einer 24 Stunden dauernden Fahrt verlangt worden – und von dieser Warte aus betrachtet, habe ich schon mit der Zwischenlandung bei Oppenheim diese Bedingung nicht erfüllt, aber …« Er hob seine beiden Arme beschwichtigend in die Höhe, um die Protestrufe der Menge zu dämpfen, »ja, Sie haben recht. Ich bin genau derselben Ansicht, wie Sie. Denn, und das ist das Entscheidende: auch in ihrem programmwidrigen Teil hat die Fahrt die Richtigkeit meiner Annahmen bestätigt. Denn es ist stets angezweifelt worden, dass man mit einem solchen starren Fahrzeug vollkommen sicher wie auf Wasser auch auf festes Land heruntergehen kann. Die Landung bei Echterdingen hat sich auf ausgesuchter Stelle so ruhig vollzogen, dass man das Aufsetzen der Gondel kaum wahrgenommen hat. Das, was ich mit dieser Fahrt habe erreichen wollen, das hat mein Luftschiff bereits jetzt erreicht. Ich hoffe – und ich bin mir sicher, dass diese Hoffnung nicht trügt – dass nun bald die Zeit gekommen sein wird, wo das Luftschiff ein allgemeines Verkehrsmittel geworden ist.« Wieder brandete ein gewaltiger Jubel auf, während sich Zeppelin mit dem Handrücken eine Träne aus dem Augenwinkel wischte. »Ich bin tief gerührt von dem warmen Empfang und danke Ihnen allen herzlich. Am meisten aber bin ich gerührt gewesen, als ich heute morgen in der Frühe über mein altes, liebes Stuttgart hinweggefahren bin. Da ist mir das Herz aufgegangen …«
Nun gab es für die Menge endgültig kein Halten mehr. Die weiteren Worte des Redners gingen in begeisterten Hurrarufen unter. Aus allen Fenstern des beinahe aus allen Nähten platzenden Gasthofs winkten inzwischen die Leute mit ihren Hüten, klatschten und jauchzten, bis sich der Jubel wie auf ein unsichtbares Zeichen zu einem riesigen Chor vermengte: aus vollstem Herzen mit der ganzen Kraft ihrer Stimmen schmetterten die Menschen nun das Deutschlandlied, während sich einen Kilometer entfernt das riesenhafte Luftschiff ruhig und schön auf der Wiese vor Echterdingen im Glanz der Sonne wiegte. »Deutschland, Deutschland über alles!«. Einzig zu Ruhm und Ehre ihres schwäbischen Volkshelden: Ferdinand von Zeppelin.
Keine zweieinhalb Stunden sollte es dauern, bis sein Lebenswerk in Trümmern lag!
14 Uhr 50. Während 150 Kilometer südlich im mit den weißblauen Farben der Familie Zeppelin und dem Rot-Schwarz des Königreichs Württemberg festlich beflaggten Friedrichshafen die Vorbereitungen für einen triumphalen Empfang allmählich abgeschlossen wurden, war auf der Wiese zwischen Echterdingen und Bernhausen die anfängliche Hysterie um das Luftschiff mittlerweile einer gespannten Neugier gewichen. Wann würde Zeppelin wieder in den Himmel steigen? Ob es heute tatsächlich klappte? Noch waren die Pferdefuhrwerke mit den Gasflaschen nicht angekommen. Vorher würde es aber garantiert keinen Aufstieg geben – diese Entscheidung des Grafen hatten die Zaungäste an der Gondel ja vorher vernommen und weitererzählt. Immer wieder warfen die Leute neugierige Blicke über das von den Dragonern streng überwachte Absperrseil zur vorderen Gondel, wo emsig gearbeitet wurde. Zirka 30 Soldaten hielten die Gondelbrüstung fest im Griff, ebenso viele hatten Halteseile in den Händen. Majestätisch schwang der gewaltige Schiffsleib ganz sachte hin und her. Allem Anschein nach war der Motor erfolgreich repariert worden, denn wie mit Feldstechern zu erkennen war, gingen die Monteure Laburda und Schwarz zusammen mit den Daimlerleuten jetzt offenbar daran, den Antrieb wieder an der ursprünglichen Aufhängung zu
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