Ferdinand Graf Zeppelin
Mokassins steckenden Füße weit aus der Hose herausragten und die ganze Zeit über lässig hin- und herbaumelten.
Das war ja … Ferdinand verschlug es beinahe die Sprache, doch es blieb ihm nicht viel Zeit zum Staunen, denn nach wenigen Minuten war die Audienz bereits wieder beendet. Trotzdem war es ein voller Erfolg gewesen, denn Lincoln hatte ihn nicht nur mit warmen Worten willkommen geheißen, sondern ihm auch einen eigenhändig unterschriebenen Pass ausstellen lassen, ein Empfehlungsschreiben, das dem jungen Deutschen die völlige Bewegungsfreiheit bei den Armeen der Nordstaaten ermöglichte. Dann hatte er seinem Gast noch viel Erfolg bei dessen militärischen Studien gewünscht – und schon war die Unterredung vorbei. So jovial und hilfsbereit sich der Präsident ihm gegenüber auch gegeben hatte, waren in Lincolns Auftrag zuvor freilich eingehende Erkundigungen über den ahnungslosen Grafen Zeppelin eingezogen worden. Das war die zweite wichtige Erkenntnis, die er aus dieser Begegnung gewinnen konnte: in Amerika ging es im alltäglichen Umgang zwar höchst unkonventionell und leger vonstatten, doch sollte man sich vom ersten Eindruck keinesfalls blenden lassen. Selbst der so überaus freundliche Lincoln hatte also zunächst einmal der Vorsicht den Vorrang gegeben.
Immerhin: dank des von Lincoln unterschriebenen Ausweises stand der Erkundungsreise mitten hinein in die Kampfhandlungen des amerikanischen Bürgerkriegs nun nichts mehr im Wege. Inzwischen hatte er sich auch ein gutes Reitpferd besorgen können, mit dem er sich auf einem Dampfer einschiffte, der ihn den Potomacfluss hinunter zum Hauptquartier der Nordstaatenarmee bringen sollte. Gleich bei seiner Ankunft erlebte Ferdinand eine weitere Überraschung, denn von einer strikten militärischen Ordnung konnte zwischen den kunterbunt durcheinandergewürfelten Zelten keine Rede sein. Nun gut, schließlich handelte es sich ja auch um eine Freiwilligenarmee und nicht um ein Heer, dessen Soldaten und Offiziere in jahrelangem Drill geschult waren. Und der Generalstabschef Butterfield entpuppte sich als ein Mann, der im zivilen Leben als Postmeister fungierte und die erste Postlinie an die amerikanische Westküste nach San Francisco eingerichtet hatte. Ein Transportexperte! Was konnte man bei diesem Hintergrund an ausgeklügelter Militärtaktik auch Großartiges erwarten?
Dem Gast aus Württemberg wurde ein ebenso freundlicher und unkomplizierter Empfang wie im Weißen Haus zuteil, wobei sich der General schon bei der Begrüßung weniger für dessen berufliche Stationen interessierte, als vielmehr für das neuartige Dosenbarometer, das Zeppelin vor einiger Zeit in London erworben hatte. Butterfield äußerte den spontanen Wunsch, es einmal ausleihen zu können, um zu überprüfen, wie zuverlässig und mit wie vielen Stunden Vorlaufzeit man damit wohl eine Wetteränderung vorhersagen könne. Für militärische Aktionen könne eine solche detaillierte Kenntnis von besonderem Vorteil sein. Die ersten Versuche verliefen höchst vielsprechend, was für Ferdinand von Zeppelin freilich den Verlust des Barometers mit sich brachte, denn der General dachte gar nicht mehr daran, das gute Stück wieder an seinen Besitzer zurück zu geben. Mehrfach hatte er den Amerikaner an das geliehene Barometer zu erinnern versucht – eine überaus peinliche Situation. Und als er an seinem Abreisetag nun vehementer auf die Rückgabe drängte, da war der General einfach in seinem Zelt verschwunden, um heimlich auf der Rückseite das Weite zu suchen – samt Barometer!
Es musste nun also leider ohne das schöne Messinstrument weiter gehen – schade, aber eben nicht zu ändern. Immer näher kam er beim Besuch der verschiedenen Heeresabteilungen nun den Kampfhandlungen an der Frontlinie, wie nahe, das wurde ihm schließlich im Kugelhagel bewusst, als sie um ein Haar in einen Hinterhalt der Südstaatenarmee geraten wären, der sie nur in wildem Galopp entkommen konnten.
Zu gerne wäre Zeppelin auch eine Zeitlang Gast auf der anderen Seite der Front gewesen, er besaß dafür sogar ein Empfehlungsschreiben der Nichte des Südstaatengenerals Lee, die er bei einem Aufenthalt in Philadelphia kennen gelernt hatte, doch ein direkter Frontwechsel erschien ihm wenig ratsam. Viel zu groß war die Gefahr, von der einen oder der anderen Seite – womöglich gar von beiden – als Verräter unter Feuer genommen oder am nächsten Baum aufgeknüpft zu werden.
Und überhaupt: nach allem, was er in
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