Ferdinand Graf Zeppelin
müssen – und nach Möglichkeiten sinnen, wie man einen solchen Ballon vielleicht doch in die gewünschte Richtung lenken konnte. Noch war es nicht so weit, um damit einen offiziellen Vorstoß beim Generalstab zu machen, denn noch würden die alten Herrschaften, die bekanntlich zäh an ihren althergebrachten Strategien festhielten, den Jungspund bestenfalls auslachen – aber eines Tages … vielleicht … und mochte dieser Tag auch noch so fern scheinen: der Tag würde kommen. Der Tag, an dem ein lenkbarer Ballon in den Himmel steigen würde. Daran glaubte er, Ferdinand von Zeppelin, seit diesem 19. August 1863. Und zwar felsenfest.
Nach seiner Rückkehr aus Amerika Ende November 1863 war an die Fortsetzung seiner Träume tatsächlich nicht zu denken. Die älteren Herren im General-Quartiermeisterstab nahmen seinen Rapport über die militärischen Besonderheiten im Sezessionskrieg zwar mit einigem Interesse zur Kenntnis, doch im Nachhinein schien es Zeppelin, dass seine Vorgesetzten eher an einem unterhaltsamen Vormittag interessiert gewesen waren, als sich wirklich ernsthaft mit Überlegungen im Hinblick auf neue Erkundungsmöglichkeiten hinter den feindlichen Linien auseinandersetzen zu wollen. Und der alte König Wilhelm, der ihm doch vor einem guten halben Jahr in so großzügiger Weise die Beurlaubung vom Militärdienst überhaupt erst ermöglicht hatte, kämpfte mit seinen über 80 Lebensjahren längst mehr mit den Gebrechen des Alters, als dass er sich mit den unkonventionellen Vorschlägen eines blutjungen Offiziers beschäftigen mochte – und konnte.
Somit bestimmte fortan ein ziemlich ödes Dasein beim württembergischen Militär seine Tage und Wochen. Auch im Rang eines Oberleutnants hatte sich an den Gegebenheiten nicht das Geringste geändert: weder der überzogene Drill, dem sich die einfachen Soldaten ausgesetzt sahen, noch die Eintönigkeit, die im Tagesablauf der Offiziere vorherrschte. Weder an den üblichen Saufgelagen, noch an den Prahlereien der Weiberhelden mochte er sich beteiligen, jedenfalls nicht mehr, als es unbedingt sein musste, um nicht als arrogant und unnahbar an den Pranger gestellt zu werden.
Spätestens mit der Amerikareise waren seine Welt und damit auch der Horizont des Grafen Zeppelin endgültig so viel größer geworden, dass er seine jetzige Situation nur noch als beengend und einschnürend empfand. Es fehlte ihm die Luft zum Atmen. Wie sehr vermisste er die unendliche Weite und die Freiheit, die er auf dem amerikanischen Kontinent aus vollem Herzen hatte genießen können! Vielleicht hätte er doch in den Staaten bleiben und das Angebot des einen Generals annehmen sollen, künftig als sein Adjudant zu fungieren. Er hätte damals nur noch in die bereits offen dargebotene Rechte einschlagen müssen. Dank seiner exzellenten Ausbildung wäre ihm eine glänzende Militärkarriere in der Nordstaatenarmee auf alle Fälle sicher gewesen. Aber er hatte die großzügige Offerte ausgeschlagen und war ins Königreich Württemberg zurückgekehrt. Eine wichtige Rolle bei dieser Entscheidung spielte seine Familie. Vor allem der Vater, dem es das Herz gebrochen hätte, wenn sein ältester Sohn in Amerika geblieben wäre. Aber auch Ely und Ebi … es wäre einfach nicht gut gewesen, die Geschwister alleine zurück zu lassen. Gerade auch Ebi, der den jähen Verlust ihrer geliebten Mutter immer noch nicht so richtig verkraftet hatte und der den Beistand seines älteren Bruders nur allzu gerne in Anspruch nahm. Das waren nun einmal die Tatsachen. Und so blieb ihm gar nichts anderes übrig, als sich in der Heimat zu arrangieren und die alltäglichen Zumutungen, die der Militärdienst mit sich brachte, geduldig zu ertragen. Den Dienst einfach zu quittieren, das kam für einen Grafen Zeppelin keinesfalls in Frage. Dazu war sein Pflichtbewusstsein viel zu ausgeprägt und auch der Respekt vor der Familientradition. Schließlich leisteten die Mitglieder seiner Familie dem Haus Württemberg schon seit Jahrzehnten treue Dienste. Und so sollte es auch bleiben. Irgendwann würde ihn der König schon mit den richtigen Aufgaben betrauen. Im Grunde genommen war es nur eine Frage der Zeit, bis es so weit war. Er musste sich halt noch etwas in Geduld üben. Auch so eine Tugend, deren Beherrschung man erst einmal unter Beweis zu stellen hatte, bevor man nach Höherem strebte. Das erwarteten sie am Hof einfach. So ätzend langweilig das für den Oberleutnant Zeppelin auch sein mochte. Aber schließlich
Weitere Kostenlose Bücher