Ferdinand Graf Zeppelin
Lächeln huschte über seine Miene, während er fröhlich in die Hände klatschte und ganz bewusst in der deutschen Sprache, die er ja perfekt beherrschte, fortfuhr. »Wie schön, Sie wiederzusehen, mein lieber F…, Graf Zeppelin«, korrigierte er sich gerade noch rechtzeitig. »Was die Zeit doch an Veränderungen mit sich bringt, nicht wahr?« Zeppelin nickte eifrig, dankbar für die verständnisvolle, rasche Reaktion des Kaisers. »Allerdings, Majestät. Ich … ich…« Krampfhaft suchte er nach den richtigen Worten, die ihm in seiner nervösen Anspannung aber einfach nicht in den Sinn kommen mochten.
Und wieder war es Louis Napoleon, der die richtige Tonlage fand, um das Gespräch in weniger formelle Bahnen zu lenken. »Es ist ja in der Tat schon atemberaubend, was sich in den vergangenen Jahren ereignet hat: aus dem Spross einer französischen Exilantenfamilie, der sogar die Schweizer Staatsbürgerschaft zuerkannt bekommen hatte, formell besitze ich sie im übrigen immer noch, wird der Kaiser Napoleon III. Und der kleine Ferdinand, der Liebling und Herzkäfer aller älteren Damen am ganzen Bodensee, ganz gleich, ob französischer oder deutscher Abstammung, entpuppt sich nun vor mir als zackiger junger Infanterieleutnant des Königs von Württemberg.«
Langsam und würdevoll erhob sich der Kaiser von seinem Thronsessel und deutete mit dem ausgestreckten Arm nach draußen. »Kommen Sie, mein lieber Zeppelin. Ich möchte Sie gerne meiner Gemahlin, der Kaiserin vorstellen und dann müssen Sie mir unbedingt erzählen, wie die Dinge zuhause am Untersee gerade stehen, denn ich selbst habe zum meinem größten Leidwesen schon lange nicht mehr in Arenenberg sein können. Und wie Ihre Zukunftspläne aussehen, das möchte ich natürlich auch von Ihnen wissen, lieber Graf. Womöglich interessieren Sie sich ja für einen Eintritt in die französische Armee? Sie wären mir und meinen Offizieren gerne willkommen.«
Ein Übertritt in das französische Heer kam für Ferdinand natürlich nicht in Frage, so verlockend das kaiserliche Angebot für einen ehrgeizigen, jungen Offizier wie Zeppelin auch lauten mochte. Der herzliche Gesprächston, mit dem ihn Napoleon III. willkommen geheißen hatte, sorgte dafür, dass seine anfängliche Verlegenheit bald überwunden war, zumal auch die Kaiserin Eugenie selbst ihrem Besucher vom Bodensee mit ausgesuchter Höflichkeit und Wärme gegenübertrat. Von dem angeblich tiefen Zerwürfnis, das schon seit Jahren von der Ehe des Kaiserpaars kolportiert wurde, war zumindest an diesem Tag nicht das Geringste zu spüren. Überhaupt die gesamte Atmosphäre während seines Aufenthalts am kaiserlichen Hof und wie man ihm als deutschem Offizier begegnete: sie entsprach ganz und gar nicht dem Zerrbild, das die Zeitungen in der Heimat und die Instruktoren des Generalstabs vom angeblich so hochmütigen und brandgefährlichen Nachbarn auf der anderen Seite des Rheins seit Jahren mit wachsender Schärfe zeichneten. Zumindest er, Leutnant Ferdinand von Zeppelin, hatte die Franzosen ganz anders wahrgenommen.
Eine hochinteressante Erfahrung, die Zeppelin zum lebenslangen Grundsatz werden sollte: wann immer möglich, sich mit seinen eigenen Augen ein Bild von den Dingen zu machen und sich nicht auf Dritte zu verlassen, die ja meistens ihre eigenen Interessen verfolgten.
Nach einem weiteren Aufenthalt in Paris ging es im Frühjahr 1862 dann wieder zurück nach Ludwigsburg, zum guten Glück aber nur für kurze Zeit. Immerhin erhielt er hier zunächst seine Beförderung zum Oberleutnant, bevor ihm die Herren im General-Quartiermeisterstab eine weitere ausgedehnte Studienreise genehmigten. Offenbar waren seine Berichte über die militärischen Fortschritte in anderen europäischen Armeen, sowie die neuesten Erkenntnisse im Artilleriewesen und im Festungsbau, die er in Oberitalien und vor allem auch in Paris notiert hatte, durchaus auf Interesse gestoßen. Wenige Monate später durfte er sich also neuerlich auf Reisen begeben, die ihn dieses Mal nach Belgien, Dänemark und England führten. Sowohl die Hauptstadt London, als auch die Verwaltung des riesigen Empire hatten es ihm angetan, so dass er den spontanen Beschluss fasste, unbedingt und so rasch wie möglich Englisch zu lernen, um sich wesentlich intensiver mit dem britischen Heerwesen beschäftigen zu können. Denn immerhin handelte es sich bei England ja um das Mutterland der Industrialisierung, aus dem in den vergangenen Jahrzehnten nahezu aller
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