Ferdinand Graf Zeppelin
technische Fortschritt hervorgegangen war und das im Vergleich mit den deutschen Staaten noch immer in unerreichbarer Ferne schien.
So war aus dem jungen Mann, der sich in seiner Anfangszeit beim Militär alles andere als wohl gefühlt hatte und der das blutige »Kriegshandwerk« als recht abstoßend empfunden hatte, im Lauf der Zeit – zunächst noch ganz unbewusst – ein strategisch denkender Militärtechniker geworden, der sich zwar niemals mit dem genauso engen wie sturen militärischen Alltagsbetrieb würde anfreunden können, der sich dafür aber mit wachsender Faszination den neuen Techniken bei der Kriegsführung zuwandte. Sein ganz besonderes Interesse richtet sich nun auf das große Land am anderen Ende des Atlantik: die Vereinigten Staaten von Amerika, die er unbedingt noch bereisen wollte, zumal in diesem riesigen Land inzwischen ein Bürgerkrieg ausgebrochen war, der von den Armeen der Nord- und der Südstaaten, wie man hörte, mit erbitterter Gewalt geführt wurde. Die Tatsache, dass in den beiden Armeen auch zahlreiche europäische Offiziere eine wichtige Rolle spielten, machte die Angelegenheit für Zeppelin nur noch interessanter. Offenbar schienen die Herrschaften im württembergischen Heereskommando diese Ansicht aber leider nicht zu teilen: eine neuerliche, wieder monatelange Studienfahrt mochten sie ihrem reiselustigen Oberleutnant nicht mehr genehmigen, so dass Ferdinand nur die Möglichkeit blieb, sich mit einem Beurlaubungsgesuch direkt an König Wilhelm I. zu wenden, das ihm der greise Monarch dann auch tatsächlich bewilligte.
Übrigens sehr zum Leidwesen seines sensiblen Vaters, der ihn in Briefen gleich mehrfach geradezu flehentlich beschworen hatte, nicht nach Amerika zu reisen. Und so sehr es Ferdinand auch in die USA drängte, so wenig mochte er gegen den ausdrücklichen Willen des Vaters handeln oder diesem womöglich schweren Kummer bereiten. Nichts schlimmer als das! Dessen Wohlergehen galt es zu schützen und so fügte sich Ferdinand schweren Herzens in sein Los, die Pläne für eine Amerikareise wieder aufzugeben. Er mochte seinem Vater deswegen auch keinerlei Vorhaltungen machen, denn Friedrich von Zeppelin argumentierte ja lediglich aus Sorge um das Wohlergehen seines ältesten Sohnes heraus. Einzig seiner Schwester Ely schüttete er sein Herz aus – und womöglich war es die Überzeugungskraft der einfühlsamen Ely, mit der sie während mehrerer Gespräche in ihrem Vater ganz allmählich die Überzeugung reifen ließ, wenn es sich nun einmal um den Herzenswunsch seines Sohnes handele, habe er mit seinen eigenen Sorgen und Bedenken zurückzustehen. »Dieses Opfer glaube ich, nicht annehmen zu dürfen, auch muss ich mich von jeder bitteren Beimischung eines Vorwurfs reinhalten, Wünsche durchkreuzt zu haben, die du für deine Zukunft ersprießlich hältst.« Das war das entscheidende Signal zum Aufbruch: das Abenteuer Amerika konnte beginnen!
Am 30. April 1863 schiffte sich der von seinem König beurlaubte Oberleutnant Ferdinand Graf Zeppelin auf einem Amerikadampfer ein und trat von Liverpool aus die große Reise an, um als militärischer Beobachter den Sezessionskrieg zu verfolgen.
Schon der Beginn der Reise verlief erfolgreich. Kaum war er in Washington eingetroffen, erhielt er dank der Vermittlung des preußischen Gesandten, auf den er mit seinem offenen, freundlichen Wesen einen günstigen Eindruck gemacht hatte, sogar eine Audienz bei Präsident Abraham Lincoln – und sah sich bei diesem Anlass erstmals ganz direkt mit den augenfälligen Unterschieden zwischen den Gepflogenheiten auf dem Alten Kontinent und denjenigen von Amerika konfrontiert. Denn während sich der noch nicht ganz 25-jährige Zeppelin für den Besuch beim höchsten Repräsentanten des amerikanischen Staates natürlich mit Gehrock und Zylinder besonders fein herausgeputzt hatte, erwies sich Lincoln mitsamt seinem ganzen Umfeld als an solchen äußerlichen Dingen überhaupt nicht interessiert. Ganz im krassen Gegensatz zum üblichen Pomp und Prunk der europäischen Monarchen saß da eine große, hagere Gestalt mit langem Bart und ungepflegten Haaren hinter dem Schreibtisch, die sich als Präsident Lincoln entpuppte, ihren verblüfften Besucher ganz ungezwungen begrüßte und sich freundlich mit ihm unterhielt. Das Erstaunen setzte sich fort, als während der kurzen Unterredung dann auch noch der Privatsekretär des Präsidenten erschien und sich einfach auf den Schreibtisch setzte, während seine in
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