Ferdinand Graf Zeppelin
zählte er erst 25 Lebensjahre. Da würden sich noch manche Türen öffnen …
Am 25. Juni 1864 war König Wilhelm gestorben – nach einer segensreichen Regierungszeit von 48 Jahren! Ein Monarch, der nicht nur als der »Landwirt auf dem Königsthron« in die württembergische Geschichte eingehen sollte, sondern auch als der umsichtig agierende Landesvater, der seinem bitter armen, rückständigen Land unter anderem auch mit dem Bau der Eisenbahn von Heilbronn über Stuttgart bis nach Friedrichshafen behutsam den Weg in eine industrielle Zukunft gewiesen hatte. Von den Tagen der napoleonischen Kriege über die politischen Verwerfungen der 1848er Jahre bis an die Schwelle einer neuen Zeit. Und wie der König, der sein Ende nahen fühlte, am Fenster von Schloss Rosenstein stehend, nach einem letzten Blick auf Cannstatt die bittere Erkenntnis formulierte: »Es tut doch weh, von einem so schönen und guten Lande scheiden zu müssen!« – das hatte seine Landeskinder bis ins Mark erschüttert. Eine Epoche war zu Ende gegangen.
Als neuer König bestieg nun Kronprinz Karl den württembergischen Thron – und sorgte gleich zu Beginn seiner Regierungszeit für gehörige Turbulenzen, indem er die bisherigen Minister seines Vaters samt dem Ministerpräsidenten unverzüglich durch eine neue Riege ersetzte. Im Zuge dieser tiefgreifenden Veränderungen in Verwaltung und Armee öffnete sich auch für Ferdinand die Tür zu einem weiteren Karriereschritt: im April 1865 berief ihn König Karl in seine Adjudantur. Eine Beförderung, die ebenfalls für einiges Aufsehen sorgte, denn schließlich genossen die insgesamt fünf Adjudanten, die von einem Oberst angeführt wurden, das besondere Vertrauen des Königs und berieten ihn maßgeblich bei politischen und militärischen Entscheidungen. Und der noch nicht einmal 27 Jahre alte Graf Zeppelin gehörte von nun an zu diesem ausgesuchten Zirkel!
Von einem Tag auf den anderen durchströmte ihn plötzlich eine neue Kraft. Nach all den zähen Tagen, Wochen und Monaten in Ludwigsburg. Endlich wieder Luft zum Atmen! Ein weltläufiger, offener Kreis, in den ihn König Karl wohl ganz bewusst aufgenommen hatte – sicherlich nicht nur wegen der engen, vertrauensvollen Bindungen der Zeppelins an Württemberg, sondern wohl in erster Linie wegen seiner vielfältigen ausländischen Erfahrungen, die dem König besonders wichtig schienen. Vor allen Dingen jetzt, in dieser überaus kritischen Zeit, in der die Preußen unter Führung Bismarcks begierig darauf lauerten, endgültig die Führungsrolle in Gesamtdeutschland zu übernehmen, die sie ja schon seit Jahren immer ungenierter beanspruchten. Zudem rüstete sich der Preuße längst zum Kampf gegen das geschwächte Österreich – eine militärische Auseinandersetzung schien zunehmend unvermeidlich. Für das kleine Württemberg bedeutete dies, beständig auf der Hut sein zu müssen, um nicht zwischen den Mühlsteinen der beiden Großmächte zerrieben zu werden.
Was sein neues Amt, so reizvoll es auch sein mochte, für Ferdinand besonders diffizil erscheinen ließ, das waren die privaten Neigungen des Königs Karl, der eine intime Beziehung ausgerechnet mit seinem Generaladjudanten Oberst Wilhelm Freiherr von Spitzemberg pflegte, Zeppelins direktem Vorgesetzten. Ein weiterer solcher Kontakt bestand mit Richard Jackson, dem Sekretär des Konsulats der Vereinigten Staaten. Als habe man weiß Gott keine anderen – politischen Sorgen – hatten die Adjudanten des Königs mehr als genug damit zu tun, den Gerüchten, die sich aus diesen Bekanntschaften beinahe zwangsläufig ergaben, regelmäßig und mit aller gebotenen Entschiedenheit gegenüber zu treten. Wahrhaft keine leichte Aufgabe – und eine höchst unangenehme noch dazu.
Nicht nur in dienstlicher Hinsicht war es eine schwierige Zeit für den jungen Offizier – auch privat hatte Ferdinand eine schwere Krise zu meistern. Denn sein Werben um die Hand einer liebreizenden Cousine, deren anmutiges Äußeres und zartes Wesen seine Gefühle über Wochen und Monate in heftigste Wallungen versetzt hatte, war vergeblich gewesen. Nicht nur, dass sich das Fräulein im Gegensatz zu seinen früheren Besuchen ihm gegenüber plötzlich wortkarg und spröde verhielt, ja schon eine beinahe schroffe Abwehrhaltung an den Tag legte, seitdem er ihr etwas deutlichere Avancen gemacht hatte, auch die Mutter der jungen Frau zeigte sich von Ferdinands Heiratsabsichten alles andere als begeistert. Kaum hatte er, wie es sich
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