Ferdinand Graf Zeppelin
besonders erfreute den Grafen ein Brief aus Augsburg, in dem ihm Theodor Kober signalisierte, im kommenden Jahr sehr gerne wieder an den Bodensee zurückkehren zu wollen, sobald es darum ginge, letzte Hand an das Luftschiff zu legen. Was für wunderbare Leute!
Genauso wichtig für das Klima in seiner Mannschaft waren freilich auch Männer vom Schlage eines Ludwig Marx. Der Bootsführer, der gleichzeitig als eine Art ›Mädchen für alles‹ fungierte, war schon nach wenigen Wochen gar nicht mehr aus Manzell wegzudenken. Keine Arbeit war ihm zu schwer, kein Tag zu lange, so dass der pflichtbewusste Marx vom Grafen Zeppelin schon bald die ehrenvolle Aufgabe zugewiesen bekam, sämtliche Ehrengäste, ob es sich dabei um den Kaiser, den König von Württemberg oder besonders wichtige Investoren handelte, höchstpersönlich mit dem kleinen Daimler-Motorboot von Friedrichshafen in die Manzeller Bucht zu bringen. »Außerdem können Sie, wenn wir dann soweit sein werden, die Aufsicht über den Transport der Luftschiffe auf die offene Seefläche übernehmen. Sie werden dafür verantwortlich sein, dass die Schiffe behutsam aus der Halle gezogen werden und nach der Landung wieder genauso sorgfältig in die Halle gelangen. Dieses Bugsieren ist eine hochdiffizile Millimeterarbeit. Trauen Sie sich das zu, Marx?«
Und ob der sich das zutraute! Die Begeisterung des Bootsführers war grenzenlos. »Jetzt wäre es halt nur schön, wenn die Luftschiffe wirklich schon startbereit in der Halle liegen täten, Exzellenz«, wagte er im Überschwang der grenzenlosen Freude noch anzumerken und wäre »seinem Grafen« vor lauter Dankbarkeit beinahe um den Hals gefallen. Doch die Zeit schritt unaufhaltsam voran – und noch immer war kein Luftschiff über dem Himmel von Friedrichshafen zu sehen. »Noch nicht einmal eines auf dem Boden! Das wird doch nie mehr etwas werden. Außer der bedauerlichen Tatsache, dass hunderttausende von Mark nutzlos verpulvert worden sind. Geld, das man weiß Gott sinnvoller hätte ausgeben können!« Solche und ähnliche Meinungen bestimmten den Gedankenaustausch seiner Investoren. Dazu gesellten sich in Hülle und Fülle weitere unerwartete Fragestellungen, Berechnungskorrekturen und Montageprobleme beim probeweisen Zusammenbau der Trägerteile: was sie auch anpackten, überall sahen sich Zeppelin und seine Männer mit der Tatsache konfrontiert, dass sie mit ihrem kühnen Projekt absolutes Neuland betraten. Das galt für die Materialkunde genauso, wie auch bei Statik, Gasbefüllung und nicht zuletzt in der ebenfalls wichtigen Meteorologie. Die Sache schien sich ewig hinzuziehen. Und das Geld auf dem Konto wurde von Tag zu Tag weniger, während sich die kritischen Stimmen seiner Geldgeber immer lauter zu Wort meldeten. So konnte es auf Dauer nicht weiter gehen. Am besten war es folglich, so beschloss der Graf seinem Naturell entsprechend, nunmehr die Flucht nach vorne anzutreten und den Stier in Gestalt der ungeduldigen Investoren, direkt bei den Hörnern zu packen.
Bei einer offiziellen Zusammenkunft der »Gesellschaft zur Förderung der Luftschifffahrt« im Stuttgarter Hotel Marquardt gab er während des Mittagessens die klare Losung aus: »Bis Mitte 1899 wird das Luftschiff zum Aufstieg fertig sein! So will ich es und so möchte ich es Ihnen hiermit fest versichern, dass es dazu kommen wird, meine sehr verehrten Herren.«
Ein mutiges Versprechen! Und ein schier unmögliches Unterfangen.
»Ein Sprung ins Dunkel«, wie der ewig skeptische Max von Duttenhofer düster konstatierte.
»Ein Sprung ins Dunkel«, wiederholte Zeppelin scharf und nickte dabei ernst. »Aber ich wage ihn, denn mein Ziel ist klar und meine Berechnungen sind richtig. Wenn Sie mir das notwendige Vertrauen entgegenbringen, ohne das kein großes Werk gelingen kann, dann wird das Luftschiff vor Ihrer aller Augen noch in diesem Sommer in den Himmel steigen. Das ist mein Ziel – und daran halte ich fest, komme, was da wolle!« Immer lauter hatte sich der Graf in Rage geredet und dabei nicht bemerkt, wie die Gäste an den anderen Tischen auf seine Worte gelauscht und anschließend miteinander getuschelt hatten. Unter diesen befand sich auch der österreichische Schriftsteller und Burgschauspieler Rudolf Tschudy, der gerade zu einem Gastspiel in Stuttgart weilte und sich nun voller Verwunderung bei seinem Tischnachbarn, einem hochrangigen württembergischen Offizier, erkundigte, um wen es sich bei diesem aufgeregten, wild gestikulierenden Mann
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