Ferdinand Graf Zeppelin
weist.«
Zu einem besonders unangenehmen Erlebnis kam es schon einige Wochen nach der Fertigstellung der drehbaren Schwimmhalle auf dem Bodensee. Diese Konstruktion hatte er ja wahrlich nicht aus Übermut favorisiert, sondern aus dem wohlüberlegten Kalkül heraus, dass es nach wie vor angeraten war, die Luftschiffe vorerst auf einer Wasserfläche starten und landen zu lassen. Dazu bot das schwimmende Riesengebäude den entscheidenden Vorteil, das Luftschiff absolut unabhängig von der aktuellen Windrichtung immer genau in der gewünschten Position aus der Halle zu ziehen. Die Kommentare der Betrachter waren, wie nicht anders zu erwarten, eindeutig gewesen. »Und dass dieses monströse Ungetüm sofort auseinander brechen wird, sobald es sich – wenn überhaupt – aus dem Wasser erhebt, dazu braucht man ja weiß Gott kein Prophet sein! Es ist doch viel zu lang und viel zu schwer. Das sieht man doch auf den ersten Blick. Weshalb die Behörden einen solchen Irrsinn überhaupt geschehen lassen, das begreife, wer will. Denn wenn beim Auseinanderbrechen das Gas in der Hülle explodiert, dann wird es eine Katastrophe geben, das ist ganz klar. Aber dieser Verrückte darf sich anscheinend alles erlauben …« Die Kommentare waren eindeutig. Am ganzen Bodensee schien es niemanden zu geben, der an einen erfolgreichen Ausgang des risikobehafteten Experiments glauben mochte. Viel schlimmer noch als diese Zweifel war jedoch diese zunehmend feindliche Stimmung, die Zeppelin mittlerweile überall entgegenschlug.
Egal. Hauptsache war und blieb, dass er Bella immer fest und vertrauensvoll an seiner Seite wusste. Dieser familiäre Zusammenhalt war schließlich das Allerwichtigste. »Mögen sie draußen auch noch so hämisch über mich lachen und mich als den verrückten Luftgrafen verspotten. Sie wissen es nicht besser. Erst recht, wenn mich, wie ich ja kürzlich erfahren musste, selbst der Kaiser in aller Öffentlichkeit als den Dümmsten aller Süddeutschen bezeichnet hat: wie soll das Volk dann anders über mich reden? Das werden sie erst tun, wenn mein Luftschiff über ihren Köpfen schwebt.«
Und ausgerechnet jetzt, in dieser vorentscheidenden Phase, war die schwimmende Halle von einem Wintersturm schwer in Mitleidenschaft gezogen worden. Ein Schaden von über 100.000 Mark! Eine Menge Geld, das man doch dringend für den Zusammenbau des Luftschiffs benötigte. Bei Berg in Lüdenscheid waren inzwischen die ersten Teile für das Aluminiumgerippe hergestellt worden und standen bereit für den Transport nach Friedrichshafen. Aber gerade zu einem solch wichtigen Zeitpunkt musste nun erst die Halle wieder aufgebaut werden! Dazu trafen erste Hinweise ein, dass sich die Herstellung anderer wichtiger Bauteile um Monate verzögern würde, und auch eine konkrete Terminzusage für die definitive Fertigstellung der Motoren ließ Woche um Woche auf sich warten – von den Schwierigkeiten bei der Gasproduktion erst gar nicht zu reden. Es war zum Verrücktwerden. »In der Tat! Es ist zum Verrücktwerden! Aber gerade deswegen muss ich gelassen bleiben. Wenn meine Männer sehen, dass ich mich von der nervösen Anspannung beeindrucken lasse, die überall um mich herum herrscht, wie sollen sie sich dann noch auf ihre Arbeit konzentrieren können?«
Dabei waren es durchweg gute Leute, die er für das provisorische Büro in Friedrichshafen und den Baubeginn in der Manzeller Bucht hatte verpflichten können.
Angefangen vom wortkargen, aber dafür umso fleißigeren Stuttgarter Wengertersohn Ludwig Dürr, einem findigen Mechaniker, den er trotz des jugendlichen Alters von noch nicht einmal 21 Jahren bereits als Konstrukteur anstellte und dem er es ermöglichte, parallel dazu sein Studium an der Königlich Württembergischen Baugewerbeschule in Stuttgart (der späteren Maschinenbauschule) erfolgreich zu beenden. Ludwig Dürr enttäuschte die Hoffnungen keineswegs, die sein erster Arbeitgeber auf ihn setzte. Er setzte die noch von Theodor Kober vorgegebenen Konstruktionsmerkmale für den Bau des ersten Luftschiffes in überzeugender Art und Weise um, verbesserte sie dabei fortwährend und entwickelte sich in kürzester Frist zum wichtigsten Mitarbeiter, der auch in Zeiten schwerster Krisen immerzu treu an der Seite des Grafen stand. Ein echter Glücksgriff! Zeppelin hatte Dürrs Genie rasch erkannt und ernannte den jungen Mann sogar zum Chefkonstrukteur, der seither für alle Luftschiffkonstruktionen des Grafen verantwortlich zeichnete.
Ganz
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